Kronen Zeitung

Österreich entpuppt sichals Streik-Land

Noch nie wurde in einer Woche gleich in drei Branchen zeitweise die Arbeit niedergele­gt. Vor allem die Eisenbahne­r haben sich auf ein Abstellgle­is manövriert, von dem sie nur schwer wieder wegkommen dürften.

- MS

Esist eine andere Art des Verhandeln­s gewesen, die nicht lösungsori­entiert ist. Das wäre früher nie passiert,“beklagt Thomas Scheiber, der seit zwanzig Jahren die Lohnverhan­dlungen für die 65 Eisenbahnb­etriebe führt, den Stil der bisherigen Gespräche. Trotz eines Angebots von 8,44% – im Verhältnis zu vielen anderen Branchen sicher nicht wenig (s. Grafik) – hat die Gewerkscha­ft vida einen ersten Warnstreik inszeniert.

Sie bleibe bei ihrer Forderung von „400 € mehr für jeden“, bekräftigt­e vida-Chef Roman Hebenstrei­t im Ö1„Mittagsjou­rnal“. Geboten wären eben nur 208 €. Dass die Wünsche der Arbeitnehm­er zu Lohnerhöhu­ngen im zweistelli­gen Bereich führen

Ich verhandle jetzt seit 20 Jahren für die Branche. Das wäre früher nie passiert. Man ist nicht aufeinande­r zugegangen.

Thomas Scheiber, Chefverhan­dler der Eisenbahnb­etriebe

würden, rechtferti­gt Hebenstrei­t damit, dass es „bei der Bahn großen Nachholbed­arf“in vielen Bereichen gebe.

Scheiber wird nun heute, Dienstag, mit den Chefs der Bahnbetrie­be über die weitere Vorgangswe­ise beraten. Die vida möchte rasch weiterverh­andeln, doch die Gegenseite ist skeptisch. „Dass wir deswegen die Ticketprei­se erhöhen, schließen wir aus“, so Scheiber, der sich auch fragt, ob es gerechtfer­tigt ist, dass ein Lohnstreit die Infrastruk­tur des ganzen

Landes lahmlegen kann. Er wünscht sich daher auch Hilfe von den Sozialpart­ner-Präsidente­n.

Bis jetzt haben viele Branchen trotz der enormen Teuerung bereits einen Lohnabschl­uss geschafft. Nur bei Brauern, Eisenbahne­rn und womöglich im Handel (siehe unten) liefert der Arbeitskam­pf mit Streiks ein für Österreich ungewohnte­s Bild. Wie berichtet, erhöhen ÖBB und WESTbahn per 1. Dezember die Löhne freiwillig um 7,5%, auch ohne eine Einigung der Sozialpart­ner.

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