Roter Kaiser in Nöten
Man kann den chinesischen Menschen viel zumuten. Sie dulden viel, sie gehorchen. Doch die Leidensfähigkeit hat von außen nicht leicht erkennbare Grenzen. Diese zu wissen ist aber die Aufgabe einer guten Führung in Peking.
Das autoritär erstarrte Regime des Xi Jinping hat darin versagt. Es hat viel zu lange die Null-Covid-Politik laufen lassen.
Wenn Chinesen die Nase voll haben, rasten sie aus – urplötzlich, in Massen, wie eine Naturgewalt. So eine Explosion von Wut ist dem Herrschaftsapparat von Chinas KP seit den 1989 blutig niedergeschlagenen Tiananmen-Unruhen nicht mehr passiert.
Wie kommt Xi Jinping da wieder raus? Ihm ist das sowjetische Erbe zum Verhängnis geworden, welches Xi besonders liebevoll pflegt: der KommandoKommunismus. Entscheidungen werden nicht erklärt, nicht begründet. Sie werden angeordnet, befohlen.
Der erst wenige Wochen alte KP-Parteitag mit seinen bizarren und geheimniskrämerischen Ritualen lieferte ein aktuelles anschauliches Beispiel. Das autoritäre System führt sich selbst ad absurdum. Es ist sein eigener größter Feind.
Wer den chinesischen Menschen ein gestörtes Verhältnis zum hohen Gut der Freiheit unterstellt, der möge sich die Sprechchöre gegen die Corona-Lockdowns anhören. Sie singen die Nationalhymne, deren Text beginnt mit: „Steht auf! Alle, die ihr keine Sklaven mehr sein wollt!“