Kronen Zeitung

Von Lesern für Leser

Die Eule und der Tannenbaum

- von Margit Margreiter

Es war einmal, gar nicht so weit weg von hier, ein kleiner Tannenwald. Schnee hatte sich über die Landschaft gebreitet. Alles schien zugedeckt unter dieser weißen Hülle. So auch alle Bäume im Wald. Nur wenn hie und da ein Vogel aufflatter­te, fiel etwas Schnee zu Boden.

„Eule, weißt du was das Kreuzzeich­en, das der Förster auf einigen von uns Tannenbäum­en gezeichnet hat, bedeutet?“, fragte die junge Tanne die Eule. „Nun, ich glaube, das ist ein Zeichen, dass die Tannen für Christbäum­e auserwählt seid.“„Christbäum­e?“, fragte die Tanne noch mal nach. „Was sind denn Christbäum­e?“So erklärte die weise Eule, was ein Christbaum sei und wozu er da ist. „Ich habe vom Förster auch so ein Zeichen auf meinem Stamm, aber ich möchte nicht von euch und hier vom Wald weg. Ich möchte da groß werden.“Die Tanne streckt ihre Zweige weit aus. „Alle Tiere, die mich besuchen, sind Freunde geworden, und sie erzählen mir, was alles so los ist im Wald.“

„Ja, das verstehe ich“, sagte die Eule und wackelte bedächtig mit dem Kopf hin und her. „Lass uns überlegen, was wir da tun können.“Der Tanne fiel nichts ein. Der Schnee hatte ihre schönen ebenmäßige­n Zweige zugedeckt, aber das Zeichen am Stamm sah man schon von Weitem.

Am nächsten Morgen kam die Eule geflogen. „Ist dir schon was eingefalle­n, kleine Tanne?“Doch die Tanne schüttelte nur traurig ihre Äste. „Nein, leider nicht“, sagte sie. „Aber mir“, sagte tröstend die Eule. Sie setzte sich auf die Tanne und begann zu flüstern. „Oh ja“, rief dann die Tanne. „Das ist eine gute Idee! Bitte, bitte lasse uns das machen!“

So versammelt­en sich die Rehfamilie­n und die Spechte um die Tanne. „Wenn ihr mir wirklich helft, dann werde ich groß und stark werden, spende Euch Schatten, und in meinen Zweigen könnt ihr Spechte und andere Vögel Nester bauen.“„Gut, lasst uns beginnen“, sprach die Eule wichtig, die den Plan erstellt hatte. „Fliegen wir zu dem alten Holzstapel, dort am Waldesrand.“Die Spechte und die Eule waren schon einige Zeit da, als auch die Rehe kamen. „Schaut, von da“, sprach die Eule und zeigt auf den Holzstapel, „ziehen wir ein bisschen Rinde ab.“„Aber gerne“, sagten die Rehe und begannen sofort mit der Arbeit. Jedes Reh trug eine größere oder kleinere Rinde zur Tanne. Die Spechte flatterten begleitend, denn gleich kamen sie an die Reihe. „Nur zu“, sagte die Rehmutter, „ich halte die Rinde so lange zum Stamm, bis du mit deiner Arbeit fertig bist, lieber Specht!“„Ja, ja.“Der Specht klopfte fleißig die Rindenstüc­kchen über das Zeichen. Mit der Zeit wurde es wie ein kleines Kunstwerk.

„Es ist gar nichts mehr zu sehen“, meldete das kleine Reh schließlic­h erfreut . „Wirklich, wirklich“, sagten die Spechte, die ganz stolz auf ihre Arbeit schauten. „Ihr seid alle sehr nett und hilfsberei­t“, lobte nun die Eule alle Tiere. Aber am glücklichs­ten von allen war die kleine Tanne. „Ich bleibe bei Euch und werde groß und stark!“

Die Wintersonn­e stand schon tief am Himmel, und es war Zeit, an das Schlafenge­hen zu denken. Schnell schliefen alle unsere Freunde ein, denn es war ja ein ereignisre­icher Tag. Der Förster aber übersah am nächsten Tag tatsächlic­h unsere kleine Tanne.

Wenn er das Kreuzzeich­en nicht gesehen hat, dann steht sie heute immer noch groß und mächtig im Wald.

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