Von Lesern für Leser
Die Eule und der Tannenbaum
Es war einmal, gar nicht so weit weg von hier, ein kleiner Tannenwald. Schnee hatte sich über die Landschaft gebreitet. Alles schien zugedeckt unter dieser weißen Hülle. So auch alle Bäume im Wald. Nur wenn hie und da ein Vogel aufflatterte, fiel etwas Schnee zu Boden.
„Eule, weißt du was das Kreuzzeichen, das der Förster auf einigen von uns Tannenbäumen gezeichnet hat, bedeutet?“, fragte die junge Tanne die Eule. „Nun, ich glaube, das ist ein Zeichen, dass die Tannen für Christbäume auserwählt seid.“„Christbäume?“, fragte die Tanne noch mal nach. „Was sind denn Christbäume?“So erklärte die weise Eule, was ein Christbaum sei und wozu er da ist. „Ich habe vom Förster auch so ein Zeichen auf meinem Stamm, aber ich möchte nicht von euch und hier vom Wald weg. Ich möchte da groß werden.“Die Tanne streckt ihre Zweige weit aus. „Alle Tiere, die mich besuchen, sind Freunde geworden, und sie erzählen mir, was alles so los ist im Wald.“
„Ja, das verstehe ich“, sagte die Eule und wackelte bedächtig mit dem Kopf hin und her. „Lass uns überlegen, was wir da tun können.“Der Tanne fiel nichts ein. Der Schnee hatte ihre schönen ebenmäßigen Zweige zugedeckt, aber das Zeichen am Stamm sah man schon von Weitem.
Am nächsten Morgen kam die Eule geflogen. „Ist dir schon was eingefallen, kleine Tanne?“Doch die Tanne schüttelte nur traurig ihre Äste. „Nein, leider nicht“, sagte sie. „Aber mir“, sagte tröstend die Eule. Sie setzte sich auf die Tanne und begann zu flüstern. „Oh ja“, rief dann die Tanne. „Das ist eine gute Idee! Bitte, bitte lasse uns das machen!“
So versammelten sich die Rehfamilien und die Spechte um die Tanne. „Wenn ihr mir wirklich helft, dann werde ich groß und stark werden, spende Euch Schatten, und in meinen Zweigen könnt ihr Spechte und andere Vögel Nester bauen.“„Gut, lasst uns beginnen“, sprach die Eule wichtig, die den Plan erstellt hatte. „Fliegen wir zu dem alten Holzstapel, dort am Waldesrand.“Die Spechte und die Eule waren schon einige Zeit da, als auch die Rehe kamen. „Schaut, von da“, sprach die Eule und zeigt auf den Holzstapel, „ziehen wir ein bisschen Rinde ab.“„Aber gerne“, sagten die Rehe und begannen sofort mit der Arbeit. Jedes Reh trug eine größere oder kleinere Rinde zur Tanne. Die Spechte flatterten begleitend, denn gleich kamen sie an die Reihe. „Nur zu“, sagte die Rehmutter, „ich halte die Rinde so lange zum Stamm, bis du mit deiner Arbeit fertig bist, lieber Specht!“„Ja, ja.“Der Specht klopfte fleißig die Rindenstückchen über das Zeichen. Mit der Zeit wurde es wie ein kleines Kunstwerk.
„Es ist gar nichts mehr zu sehen“, meldete das kleine Reh schließlich erfreut . „Wirklich, wirklich“, sagten die Spechte, die ganz stolz auf ihre Arbeit schauten. „Ihr seid alle sehr nett und hilfsbereit“, lobte nun die Eule alle Tiere. Aber am glücklichsten von allen war die kleine Tanne. „Ich bleibe bei Euch und werde groß und stark!“
Die Wintersonne stand schon tief am Himmel, und es war Zeit, an das Schlafengehen zu denken. Schnell schliefen alle unsere Freunde ein, denn es war ja ein ereignisreicher Tag. Der Förster aber übersah am nächsten Tag tatsächlich unsere kleine Tanne.
Wenn er das Kreuzzeichen nicht gesehen hat, dann steht sie heute immer noch groß und mächtig im Wald.
Schicken Sie Ihre Geschichten und Gedichte an: advent@kronenzeitung.at