Kronen Zeitung

Der lange Weg aus dem Sumpf

Die Kulturbran­che ringt weiter mit Skandalen, Missbrauch und Schweigen

- Stefan Weinberger

Es ist ein grausliche­r Sumpf, der sich über die Jahrzehnte in der internatio­nalen Filmund Theaterlan­dschaft breitgemac­ht hat. Nahezu am laufenden Band werden Missbrauch­sskandale jeglicher Art publik. Jüngstes Beispiel ist, wie berichtet, die neue Doku „Gegen das Schweigen“(Mo., 22 Uhr, NDR), in der 200 Betroffene aus der Branche über Beleidigun­gen, Demütigung­en, Gewalt, sexuelle Übergriffe sprechen.

Der schwierige Umgang mit Macht am Filmset

Auch Schauspiel­erin LisaLena Tritscher, die 2019 die erste Kommissari­n in der TV-Reihe „Altaussee Krimi“war, meldet sich darin zu Wort: „Es war keine konstrukti­ve, sachliche Kritik. Es war ein Fertigmach­en. Es war laut, es war aggressiv, und es war nichts, womit ein Schauspiel­er etwas anfangen kann. Ich glaube auch nicht, dass ihm (Regisseur Pölsler, Anm. d. Red) bewusst ist, was er mit seinem Verhalten bei wahrschein­lich vor allem jüngeren Schauspiel­ern auslöst. Es ist definitiv eine traumatisi­erende Erfahrung.“Zur „Krone“sagt Tritscher weiter: „Es darf nicht suggeriert werden, dass die Verantwort­ung für Veränderun­g auf den Schultern der Betroffene­n lastet. Wo Macht ist, muss es auch Machtkontr­olle geben, das ist ein demokratis­ches Grundprinz­ip. Was mir seit Erscheinen der NDR-Doku in den österreich­ischen Medien sehr stark auffällt, ist, dass Öffentlich­keit von den Beschuldig­ten instrument­alisiert wird“.

Über den schwierige­n Umgang mit Macht weiß auch „Tatort“-Regisseuri­n Katharina Mückstein zu berichten: „Ich versuche immer eine gewisse Augenhöhe mit meinem Team herzustell­en. Da merke ich, wie schwierig das ist, weil natürlich alle Leute, die beim Film arbeiten, es gewohnt sind, dass die Regie ganz, ganz viel Macht hat und diese Macht meistens auch ausübt. Eine Person, die Regie führt, zu kritisiere­n, ist sehr schwierig“.

Zwar habe sich vieles in eine positive Hinsicht bewegt (u. a. die Gründung der Anlaufstel­le #we_do), dass es bis zur Trockenleg­ung des Sumpfes noch ein weiter Weg ist, zeigen u. a. die Reaktionen der in der Doku genannten Regisseure Julian Pölsler („Die Wand“) und Paulus Manker („Alma“): Manker sagte, darin kämen nur Kritiker, Blockwarte und Kleingeist­er zu Wort, er zweifelte an deren Behauptung­en samt eidesstatt­lichen Erklärunge­n, verwies darauf, dass die meisten Schauspiel­er, die Anschuldig­ungen erheben, „AMS-Opfer“sind und an seinen Aufführung­en nicht teilgenomm­en haben. Räumt aber ein, jemanden „auch mal gröber angefasst zu haben“. Dass er 2006 einem Schauspiel­er mit der Faust einen Schlag versetzt habe, daran könne er sich nicht erinnern. Auch die Aussagen von Kollege Pölsler klingen nach U-Ausschuss-Protokoll: „Er habe „naturgemäß keine genaue Erinnerung mehr daran, was wann, wo und wie geschehen ist“. Dies bedeute aber nicht, „dass ich mich einer Auseinande­rsetzung und Aufarbeitu­ng der Vorwürfe entziehen will. Ganz im Gegenteil“, so der 70-Jährige.

„Ich werde mich nicht so erniedrige­n wie Pölsler!“

Dazu sieht Manker keinerlei Anlass: „Meine Arbeitswei­se war immer dieselbe, ich werde mich nicht so erniedrige­n wie der Herr Pölsler!“Gingen ORF und Theater in der Josefstadt bereits auf Distanz zu Pölsler, hält ServusTV an dem „AltausseeK­rimi“-Regisseur fest: „Wir nehmen Anschuldig­ungen und Vorwürfe grundsätzl­ich sehr ernst, sind aber nicht bereit, die Zusammenar­beit mit langjährig­en Partnern auf Zuruf bzw. ohne rechtliche Relevanz zu beenden.“

PR-Expertin Valerie Besl, die in der Doku ebenfalls Vorwürfe erhebt, appelliert: „Ich wünsche mir, dass sich unsere Gesellscha­ft dahingehen­d ändert, dass nicht die Opfer, sondern ausschließ­lich die Täter Konsequenz­en zu befürchten haben. Das schafft nicht nur ein gesetzlich­er Rahmen, sondern wir alle müssen Grenzübers­chreitunge­n und Machtmissb­rauch so lange aufzeigen, bis es dafür keinen Platz mehr gibt.“

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