Der lange Weg aus dem Sumpf
Die Kulturbranche ringt weiter mit Skandalen, Missbrauch und Schweigen
Es ist ein grauslicher Sumpf, der sich über die Jahrzehnte in der internationalen Filmund Theaterlandschaft breitgemacht hat. Nahezu am laufenden Band werden Missbrauchsskandale jeglicher Art publik. Jüngstes Beispiel ist, wie berichtet, die neue Doku „Gegen das Schweigen“(Mo., 22 Uhr, NDR), in der 200 Betroffene aus der Branche über Beleidigungen, Demütigungen, Gewalt, sexuelle Übergriffe sprechen.
Der schwierige Umgang mit Macht am Filmset
Auch Schauspielerin LisaLena Tritscher, die 2019 die erste Kommissarin in der TV-Reihe „Altaussee Krimi“war, meldet sich darin zu Wort: „Es war keine konstruktive, sachliche Kritik. Es war ein Fertigmachen. Es war laut, es war aggressiv, und es war nichts, womit ein Schauspieler etwas anfangen kann. Ich glaube auch nicht, dass ihm (Regisseur Pölsler, Anm. d. Red) bewusst ist, was er mit seinem Verhalten bei wahrscheinlich vor allem jüngeren Schauspielern auslöst. Es ist definitiv eine traumatisierende Erfahrung.“Zur „Krone“sagt Tritscher weiter: „Es darf nicht suggeriert werden, dass die Verantwortung für Veränderung auf den Schultern der Betroffenen lastet. Wo Macht ist, muss es auch Machtkontrolle geben, das ist ein demokratisches Grundprinzip. Was mir seit Erscheinen der NDR-Doku in den österreichischen Medien sehr stark auffällt, ist, dass Öffentlichkeit von den Beschuldigten instrumentalisiert wird“.
Über den schwierigen Umgang mit Macht weiß auch „Tatort“-Regisseurin Katharina Mückstein zu berichten: „Ich versuche immer eine gewisse Augenhöhe mit meinem Team herzustellen. Da merke ich, wie schwierig das ist, weil natürlich alle Leute, die beim Film arbeiten, es gewohnt sind, dass die Regie ganz, ganz viel Macht hat und diese Macht meistens auch ausübt. Eine Person, die Regie führt, zu kritisieren, ist sehr schwierig“.
Zwar habe sich vieles in eine positive Hinsicht bewegt (u. a. die Gründung der Anlaufstelle #we_do), dass es bis zur Trockenlegung des Sumpfes noch ein weiter Weg ist, zeigen u. a. die Reaktionen der in der Doku genannten Regisseure Julian Pölsler („Die Wand“) und Paulus Manker („Alma“): Manker sagte, darin kämen nur Kritiker, Blockwarte und Kleingeister zu Wort, er zweifelte an deren Behauptungen samt eidesstattlichen Erklärungen, verwies darauf, dass die meisten Schauspieler, die Anschuldigungen erheben, „AMS-Opfer“sind und an seinen Aufführungen nicht teilgenommen haben. Räumt aber ein, jemanden „auch mal gröber angefasst zu haben“. Dass er 2006 einem Schauspieler mit der Faust einen Schlag versetzt habe, daran könne er sich nicht erinnern. Auch die Aussagen von Kollege Pölsler klingen nach U-Ausschuss-Protokoll: „Er habe „naturgemäß keine genaue Erinnerung mehr daran, was wann, wo und wie geschehen ist“. Dies bedeute aber nicht, „dass ich mich einer Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Vorwürfe entziehen will. Ganz im Gegenteil“, so der 70-Jährige.
„Ich werde mich nicht so erniedrigen wie Pölsler!“
Dazu sieht Manker keinerlei Anlass: „Meine Arbeitsweise war immer dieselbe, ich werde mich nicht so erniedrigen wie der Herr Pölsler!“Gingen ORF und Theater in der Josefstadt bereits auf Distanz zu Pölsler, hält ServusTV an dem „AltausseeKrimi“-Regisseur fest: „Wir nehmen Anschuldigungen und Vorwürfe grundsätzlich sehr ernst, sind aber nicht bereit, die Zusammenarbeit mit langjährigen Partnern auf Zuruf bzw. ohne rechtliche Relevanz zu beenden.“
PR-Expertin Valerie Besl, die in der Doku ebenfalls Vorwürfe erhebt, appelliert: „Ich wünsche mir, dass sich unsere Gesellschaft dahingehend ändert, dass nicht die Opfer, sondern ausschließlich die Täter Konsequenzen zu befürchten haben. Das schafft nicht nur ein gesetzlicher Rahmen, sondern wir alle müssen Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch so lange aufzeigen, bis es dafür keinen Platz mehr gibt.“