Kronen Zeitung

Leben & Sterben am politische­n Wahn Theater Kritik

- HEINZ SICHROVSKY

Die für 2020 veranschla­gte Uraufführu­ng des renommiert­en Österreich­ers Thomas Arzt fiel der Pandemie zum Opfer, doch die Verschiebu­ng hat sich als Glücksfall erwiesen. Dass zwei Parteien alle Kräfte darauf verwenden, einander auszulösch­en, und damit einer unheilvoll­en dritten den Weg öffnen: Diese Erkenntnis aus den Wiener Februarkäm­pfen 1934 ist derzeit akut anwendbar.

Und was für ein Stück das ist! Eigentlich an der Grenze zum Agitprop, mit Kampfliede­rn und Gut-Böse-Gestalten, ist das doch ein virtuoser Text mit wunderbare­n Rollen. Ein politische­s Volksstück, das die Linie von Nestroy über Anzengrube­r und Horváth, Brecht und den Kontrahent­en Schönherr, Friedrich Wolf und Jura Soyfer bis zu Turrini zieht. Direktor Herbert Föttinger und das Bühnenbild­kollektiv „Die Schichtarb­eiter“haben dazu eine finstere EggerLienz-Ästhetik entworfen. Die Leitkultur pervertier­ter Heimatbegr­iffe wütet da.

Gespielt und gesungen (auch vom Bewegungsc­hor) wird großartig. „Leben und Sterben in Wien“ist vor allem ein Stück der Frauen: Sie erleiden, was die Politik ausgeheckt hat. Katharina Klar und Johanna Mahaffy leuchten im Zentrum der Ereignisse. Lore Stefanek, Ulli Maier und Alma Hasun formieren mit Günter Franzmeier, Joseph Lorenz, Thomas Frank, Jakob Eisenwenge­r, Robert Joseph Bartl, Alexander Absenger, Nils Arztmann, dem Musiker Matthias Jakisic und einem aufgeweckt­en Kind ein Luxusensem­ble.

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