Da treffen fast alle ins Schwarze
Neunzehn Jahre hat’s gedauert, bis die Staatsoper wieder Rossinis selten aufgeführtes Meisterwerk „Guillaume Tell“(1829) aus dem Fundus geholt hat. Provokant wie 1998 wirkt David Poutneys Inszenierung in Richard Hudsons solider Ausstattung heute allerdings nicht mehr: Dorf- und Bergidyllen, mit fahrbaren Monumentalstatuen, und Kriegsbilder wirken nun bieder schwyzerisch.
Aber da animiert Bertrand de Billy am Pult das ausgezeichnet studierte Staatsopernorchester zu intensiv leuchtenden Melodiebögen, Rossini-Drive, dichter Atmosphäre – im Dialog zwischen Sängern und Orchester und besonders in den großartigen Chören. Hohes Niveau ist in der Besetzung der mit Jubel gefeierten Wiederaufnahme angesagt.
Nach dem grandiosen Thomas Hampson (bis 2005) singt Roberto Frontali Tell, den Freiheitskämpfer gegen die Habsburger, mit Energie, zeichnet einen starken Charakter, wobei es ihm offenbar weniger auf edles Timbre ankommt. Mit imponierender Sicherheit, Belcanto-Glanz und perfekt sitzenden Spitzentönen gestalten John Osborn und Lisette Oropesa das unglückliche Liebespaar Arnold, den Revolutionär, und die Habsburgerin Mathilde (makellos in Technik, Timbre, feinem Ausdruck in ihrer Arie „Pour notre amour“und der Cabaletta). Tadellos Maria Nazarovas Jeremy, Tells Sohn, Ivan Ayón Rivas als Ruodi und die anderen. Imponierend Jean Teitgens gnadenloser Reichsvogt Gessler, der Vater Tell zwingt, mit dem Pfeil einen Apfel auf dem Kopf seines Sohns zu treffen. Eindrucksvoll! Fast alle trafen da „ins Schwarze“.