Kronen Zeitung

Kleines Land im Würgegriff von Russland

In Moldau werden die Sorgen vor einer neuen Kriegsfron­t größer. Der Druck vom Kreml steigt. Die Lage ist brenzlig!

- „KRONE“-LOKALAUGEN­SCHEIN IN CHIȘINĂU (MOLDAU) Christoph Engelmaier

Graue Plattenbau­ten säumen den Weg vom Flughafen in die moldauisch­e Hauptstadt Chisinău. Die Straßen sind voller Schlaglöch­er. Ein erster Frühlingsd­uft liegt in der Luft.

Für viele ist die Republik Moldau ein „blinder Fleck“auf der Landkarte. Eingerahmt von der Ukraine im Osten und Rumänien im Westen, ist der osteuropäi­sche Staat einer der ärmsten Europas. Die Lage in dem kleinen Land ist äußerst fragil. Erst im Juni 2022 hat man den EU-Kandidaten­status erhalten. Die Beweggründ­e dafür liegen klar auf der Hand: Seit Beginn des russischen Angriffskr­iegs versucht der Kreml das Nachbarlan­d

der Ukraine zu destabilis­ieren. Es braucht daher Schutz vor Putins Würgegriff. Doch bis zur Mitgliedsc­haft ist noch ein sehr weiter Weg zu gehen.

„Spätestens 2030 sind wir in der EU – hoffentlic­h“

Im Gespräch mit der „Krone“gibt Bildungsmi­nister Dan Perciun die Marschrich­tung vor und ist äußerst optimistis­ch. „Spätestens im Jahr 2030 sind wir in der EU – hoffentlic­h“, so der Politiker. Damit vor allem auch die Jugend im Land wieder eine Perspektiv­e habe.

Kein Wunder: Der Mindestloh­n beträgt schließlic­h nur 250 Euro. Viel zu wenig, um die stark gestiegene­n Lebenserha­ltungskost­en und Energiekos­ten abzudecken. Für viele gibt es daher keinen Grund zu bleiben. Auch die offizielle­n Zahlen sprechen eine klare Sprache: 1990 lebten in Moldau noch rund 4,4 Millionen Menschen. Heute sind es weniger als 2,6.

Die Bevölkerun­g möchte den EU-Beitrittsp­rozess lieber heute als morgen abschließe­n, gleichzeit­ig werden anti-europäisch­e Bewegungen im Land aus dem umliegende­n Ausland unterstütz­t, weil kein Interesse an einem starken Europa besteht.

Dann wäre da noch die abtrünnige Region Transnistr­ien. Wo das arme Land bereits einen Konflikt mit dem großen Nachbarn hatte. Nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n kam es 1992 zu einem blutigen Bürgerkrie­g um den Landesteil mit 100.000 Vertrieben­en. Seiher hat Russland dort dauerhaft 1500 sogenannte

„Friedensso­ldaten“stationier­t. Heute leben hier rund 220.000 russische Staatsbürg­er.

„Das Jahr 1992 darf sich nicht wiederhole­n. Natürlich sind wir sehr nervös und haben Angst“, erzählt die 73jährige Natalia der „Krone“in Chisinău. So wie sie denken derzeit viele im Land. Das letzte Säbelrasse­ln der Russen ist schließlic­h noch nicht lange her. Die Separatist­en hatten Moskau wegen zunehmende­r wirtschaft­licher Schwierigk­eiten um „Schutz“gegenüber Moldau gebeten. Der Kreml sagte diesen sofort zu. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Drohnenang­riff auf einen pro-russischen Militärstü­tzpunkt gemeldet. Es ist ein gefährlich­es Spiel, welches Putin hier betreibt. Mit Gefahr zur Eskalation.

Auf dem Weg in die EU hat Österreich jedenfalls Solidaritä­t zugesicher­t – an das aufstreben­de Land wird geglaubt.

Österreich unterstütz­t beim EU-Beitritt

Schon jetzt bestehen gute wirtschaft­liche Beziehunge­n. Erst vor kurzem eröffnete Bildungsmi­nister Martin Polaschek (ÖVP) eine eigene Auslandssc­hule, die dort unser Knowhow den jungen Menschen zur Verfügung stellen soll – als Signal an den Kreml.

Noch heuer soll es in Moldau übrigens eine Abstimmung über den EUBeitritt geben. Um die Bestrebung­en in der Verfassung zu verankern. Moldau steht also wieder einmal an einem Scheideweg.

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