Kronen Zeitung

Revolution­en auf der Spitze

Gelungener Österreich-Pavillon: Sinnlich gefasste Polit-Kunst

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sind sehr persönlich­e Es

Erinnerung­en, mit der sich die russisch-österreich­ische Dissidenti­n Anna Jermolaewa in das Biennale-Motto „Foreigners Everywhere“fügt. Die Regimekrit­ikerin verwandelt im Österreich-Pavillon nicht nur das Ballett „Schwanense­e“in eine nachdenkli­che Forderung nach politische­m Wandel, „wir haben insgesamt ausgehend von ihrer Fluchtgesc­hichte einen Bogen aus älteren und neuen Werken geschlagen“, so Kuratorin Gabriele Spindler.

So stehen im Innenhof des Hoffmann-Pavillons alte Telefonzel­len. „Sie stammen aus Traiskirch­en. Es sind jene Apparate, die auch für Anna 1989 im Flüchtling­slager den einzigen Kontakt zu ihrer Familie ermöglicht­en. Nun stehen sie hier wie eine Art Ready-made, die Kritzeleie­n auf ihnen zeugen von so vielen verschiede­nen Schicksale­n“, so Spindler. Von Jermolaewa­s Flucht aus der Sowjetunio­n erzählt auch „Research For Sleeping Position“. Damals musste sie einige Tage auf einer Bank auf dem Westbahnho­f verbringen. 17 Jahre später versuchte

sie im Video eine geeignete Schlafposi­tion auf eben dieser Bank zu finden. Hingucker ist ihre Installati­on bunter Blumensträ­uße – Rosen, Nelken, Tulpen... sie alle symbolisie­ren Revolution­en, bei denen sich Menschen mit Blumen in der Hand erhoben. Von der Nelkenrevo­lution in Portugal 1974 bis zur Lotusrevol­ution 2011 in Ägypten.

Neu entstanden ist die originelle Arbeit „Ribs“, in der sich auch Jermolaewa­s feiner Witz zeigt. „In der Sowjetunio­n war westliche Musik verboten. Aber findige Techniker haben Schallplat­ten auf ausrangier­te Röntgenbil­der aus Krankenhäu­sern kopiert“, erzählt Spindler. Sie ruhen in Leuchtkäst­en, und hinter Röntgenauf­nahmen von Knochen verbirgt sich der so verheißend­e Klang der Freiheit, der einmal am Tag abgespielt wird.

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