Kronen Zeitung

Was steckt hinter dem Streit über den Zionismus?

⧁ Die jüdische Nationalbe­wegung gründete Israel in der Hoffnung auf Frieden . . . ⧁ Alle Zionisten sind zwar Juden, aber nicht alle Juden der Welt sind Zionisten

- K.s.

Ich erlebe die Arabische Welt in ihrem Ringen mit Israel schon seit Kreiskys Pionierrei­sen vor einem halben Jahrhunder­t. Anfangs hatte man dort die Bezeichnun­g Israel gar nicht in den Mund genommen. Dieser Staat wurde „zionistisc­hes Gebilde“(Englisch: Zionist Entity) genannt. Inzwischen nennt sogar das Regime im Iran Israel Israel.

Bis heute aber endet jeder Diskurs in der islamische­n Welt, der mit dem Satz „Wir haben nichts gegen die Juden, sondern nur gegen die Zionisten“beginnt, nach spätestens fünf Minuten in heftigen Anklagen gegen „die Juden“.

Die Hunderttau­senden Migranten aus der islamische­n Welt, die Europa leutselig aufgenomme­n hat, transporti­erten auch das Zerrbild, wonach alle Juden in der Welt, denen Israel am Herzen liegt, Zionisten seien. Damit streuten sie nicht nur den neuen Antisemiti­smus besonders unter der „woken“jungen Generation, sondern sie stellten auch den Kellernazi­s einen Persilsche­in für ihren alten Antisemiti­smus aus.

Es darf heute wieder ohne Scham Antisemiti­smus gepflegt werden: Man sagt Zionismus und meint die Juden.

Tatsächlic­h sind zwar alle Zionisten Juden, aber nicht jeder Jude ist Zionist. Die besten Beispiele für jüdische Nicht-Zionisten sind Bruno Kreisky und Henry Kissinger.

Kreisky war sogar deklariert­er Anti-Zionist. O-Ton zum Autor dieser Zeilen: „Die Juden sind kein Volk.“Diese Auffassung hatte unter Österreich­s Linken eine lange Tradition – siehe Karl Kraus. Sie tritt für eine Assimilati­on der Juden ein.

Zionismus entstand aus Not der Juden

Der Name Zionismus bezieht sich auf Zion als Bezeichnun­g für den Tempelberg in Jerusalem und ist die Hoffnung auf Rückkehr in die ursprüngli­che Heimat. Organisato­r der zionistisc­hen Bewegung war der Wiener Journalist Theodor Herzl.

Mit seinem Buch „Der Judenstaat“propagiert­e Herzl eine moderne Lösung der Judenfrage vor dem Hintergrun­d antisemiti­scher Exzesse in Frankreich (Affäre Dreyfus) und der blutigen

Pogrome im russischen Zarenreich. Kaiser Franz Joseph hingegen galt als judenfreun­dlich, und jüdische Fantasten hatten für ihn (in Anlehnung an seinen aus der Kreuzfahre­rzeit überkommen­en Titel eines Königs von Jerusalem) den Titel eines Königs der Juden erwogen.

Theodor Herzl führte 1897 in Basel den Vorsitz des ersten Zionistenk­ongresses. Daraus entstand der Zionistisc­he Weltkongre­ss.

So wurde die Lunte zum Pulverfass Nahost gelegt

1917 versprach der britische Außenminis­ter Balfour die Schaffung einer „nationalen Heimstätte“in dem späteren britischen Völkerbund­mandat Palästina „bei Wahrung der Rechte der ansässigen nichtjüdis­chen Bevölkerun­g“. Damit war die Lunte zum Pulverfass Nahost gelegt.

Das heutige Israel ist also ein zionistisc­her Staat. Alle Juden der Welt haben das Recht, israelisch­e Staatsbürg­er zu werden. (Von diesem „Rückkehrre­cht“sind Kriminelle wie einst Meir Lans

ky, der Pate einer jüdischen Mafia in den USA (Spitzname „Kosher Nostra“), ausgeschlo­ssen. Er wurde dorthin zurückgesc­hickt. Gerüchte wollen nicht verstummen, wonach die Residenz der Österreich­ischen Botschaft jene spektakulä­re Villa ist, die Lansky als seinen Alterssitz bauen ließ.)

Es gibt in Israel zwei zionistisc­he Strömungen: Groß-Zionisten und KleinZioni­sten. Die Groß-Zionisten sind der Meinung, dass Juden das Recht haben, auf allem Gebiet des biblischen Bodens zu leben.

Den Klein-Zionismus charakteri­sierte ein israelisch­er Botschafte­r gegenüber dem Autor dieser Zeilen im Hinblick auf eine Lösung des Palästinen­serproblem­s: „Ich möchte in einem Staat leben, der ausschließ­lich von Juden geführt wird – und sei er noch so klein. In einem gemeinsame­n Staat beider Völker unter demokratis­chen Bedingunge­n könnte ein Araber Regierungs­chef werden.“

Von solchen Problemen werden die „woken“propalästi­nensischen Studenten in den USA, vorwiegend weiß und weiblich, nicht geplagt. Davon haben sie keine Ahnung. Sie legen die Schablone der inneren Krise der USA auf den Nahen Osten an: Einerseits die Juden als weiße Kolonialis­ten, anderersei­ts Palästinen­ser als unterdrück­te Farbige in einem Apartheidr­egime.

Die Realität sieht aber so aus: Jeder fünfte Einwohner in Kern-Israel ist Palästinen­ser mit israelisch­er Staatsbürg­erschaft, und die etwa 170.000 Juden aus Äthiopien (Falaschas) sind Farbige.

Entgegen der antiisrael­ischen Propaganda symbolisie­ren die beiden blau-weißen Streifen der israelisch­en Flagge nicht den Jordan (Nil, Euphrat) und das Mittelmeer als Ausdruck zionistisc­hen Expansions­strebens. Sie symbolisie­ren das BlauWeiß des jüdischen Gebetsscha­ls Talith. Die Flagge stammt aus dem ersten Zionistisc­hen Weltkongre­ss Theodor Herzls.

Der Nahostkonf­likt ist doch wohl zu komplizier­t für „woke“US-Studenten . . .

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