Wie ein Burgfräulein vor der Zugbrücke
Ich bin durch de Aufgraberei jeds Frühjahr schwer geschädigt“, sagte ein Trafikant zum Bezirksrichter. „Vur meiner Trafik is alles offen. Direkt vur mein Gschäft is a tiafer Grabn, da liegt a Brettl drüber, und wann aner zu mir ins Gschäft wüll, muass er über des Brettl geh. Bitte, i muass sagn, des Brettl is brat gnua. Aber es kummt leider manchmal vur, dass a Arbeiter von der Baustell gschwind a brats Brettl braucht. Dann nimmt er des von mein Eingang weg und legt a schmälers hin. Des is damals passiert, wia de Frau Hofrat bei mir einkaufn war.
De Frau Hofrat kummt eine, kauft se a Zeitung, stierlt a bissl in de Illustriertn, und wias wieder geh wüll, machts bei der Tür an Schra und sagt: ,Ich kann nicht mehr fort! Hier klafft ein Abgrund!’
Sag i: , Liegt denn ka Brettl drüber?’
Sagt sie: ,Ja, aber man hat es inzwischen ausgetauscht! Zuerst war es ein Brückerl, jetzt ist es nur ein Stückerl von einer Latte, sonst nichts!’
Sag i: ,Gnä Frau, so schmal is des Brettl wieder net, da kamma ruhig drübergeh. Amal derwisch i den, der was ma des Brettl immer austauscht.’
Sagt sie: ,Lassen Sie mich hinten hinaus!’
Sag i: ,I hab nur an Ausgang, gnä Frau, und des is der Eingang. Traun S Ihna nur. Machn S an Schriatt, und Se san drübn!’
Na, sie tanzt umadum, macht an klan Schriatt, springt wieder zruck, probierts no amal, schlagt de Händ zsamm, sie is ma scho vurkumma wia a alts Burgfräulein vur der Zugbruckn, bin i vire und hab gsagt: ,Gebn S ma de Hand, Frau Hofrat! I führ Ihna ume.’ Alles weitere is dem Hohen Gerichte bekannt. Seitdem i mit der Frau Hofrat über des Brettl ganga bin, könnt i in an Zirkus auftretn. Wanns sei muass, trag i an Tiger über a Seil. Des is alls leichter, wia mit der Frau Hofrat über a Brettl geh.“
Die Frau Hofrat hatte mitten auf dem Brett die Fassung verloren und durch schrille Schreie die Passanten alarmiert. Der Trafikant, der die Dame zu bändigen versuchte, erlitt Kratzwunden und wurde schließlich von einigen Männern überwältigt. Die Männer („Mir habn glaubt, er schleppt de Dame ins Gschäft“) wurden freigesprochen.