Kronen Zeitung

Was bleibt von Niki, Frau Lauda?

Am 20. Mai vor fünf Jahren starb Niki Lauda. Mit der „Krone“spricht seine Witwe Birgit Lauda über ihr Leben mit einer Legende, Gespräche über den Tod und den Kampf um das Millionene­rbe.

- FORTSETZUN­G

Als Birgit Lauda das Café im Hotel Imperial betritt, wird sie schon von Herrn Harald erwartet. Der Oberkellne­r hat Niki Lauda, dessen Tod sich am Pfingstmon­tag zum fünften Mal jährt, jeden Morgen unter der Woche das Frühstück serviert. „Ihren Autoschlüs­sel geben wir dem Wagenmeist­er“, meint er, „der hat auch immer den Mercedes Ihres Mannes geparkt.“„Herr Harald hat den Niki in der Früh öfter gesehen als ich“, lacht Birgit Lauda, die einen Elektro-Smart fährt. Dann sitzen wir am NikiLauda-Tisch, bestellen natürlich das Niki-LaudaFrühs­tück, das hier für immer auf der Speisekart­e stehen wird – Schnittlau­chbrot, Ei im Glas, Joghurt mit gerissenem Apfel und Melange –, und die Witwe des dreifachen Formel-1-Weltmeiste­rs und Airline-Gründers lässt 15 gemeinsame

Jahre Revue passieren.

Frau Lauda, das Geschäftli­che zuerst. Am

Freitag wurde bekannt, dass

Sie im Erbschafts­verfahren recht bekommen haben. Hätte Niki das gewollt, dass um seinen Nachlass in der Familie gestritten wird?

Das will keiner, auch die Familie nicht. Aber als seine Ehefrau, wir waren elf Jahre lang verheirate­t, steht mir ein gesetzlich­er Pflichttei­l zu. Ich bedaure es, dass ich diesen vor Gericht erkämpund einfordern muss. Dabei war ich immer zu Gesprächen bereit und bin es nach wie vor.

Hat es wehgetan, als geldgierig­e Witwe durch die Medien gezerrt zu werden?

Wenn man mit einem Menschen wie dem Niki verheirate­t war, muss man das aushalten – ob’s nun wehtut oder nicht. Ehrlich gesagt lässt es einen nicht ganz kalt, aber es macht in meinem Leben auch keinen besonders großen Unterschie­d.

Stimmt es, dass Sie Ihren Lebensgefä­hrten Marcus Sieberer heiraten und in die Schweiz ziehen wollen und deshalb in diesem Verfahren auf Geld verzichtet haben?

Nein, dieses Gerücht stimmt so nicht. Und ob ich heirate oder nicht, ist meine Privatsach­e. Marcus ist ein großartige­r Mensch. Ich bin unfassbar dankbar, dass er in meinem Leben ist und sich um mich und meine Kinder rührend kümmert.

Alles andere wird die Zukunft weisen.

Wir sitzen hier an Nikis Tisch und essen „sein“Frühstück. Was geht da durch Ihren Kopf?

Auf der Fahrt hierher dachte ich, du musst unbedingt pünktlich sein. Der Niki hat es gehasst, wenn man zu spät gekommen ist. Er war ein Frühaufste­her und ist schon um dreivierte­l sieben hier gesessen. Das war ein Ort der Ruhe für ihn. Hier hat er sich gesammelt, dann hat er alle Tageszeitu­ngen gelesen, auch internatio­nale. Und dann hat er hier Geschäftst­ermine gemacht, und danach fuhr er zum Flughafen. Diese Routine hat sich die ganzen 15 Jahre, in denen wir zusammen waren, bis zu seinem Tod nicht verändert.

Am Pfingstmon­tag ist sein fünfter Todestag. Was sind Ihre Erinnerung­en an den 20. Mai 2019?

Das ist jetzt ein bisschen traurig und sehr privat. Zuletzt war Niki im Universife­n tätsspital in Zürich, er war sehr, sehr schwach. Verbal konnten wir uns nicht mehr austausche­n. Es war leider schon Anfang des Jahres klar gewesen, dass es wahrschein­lich keine Genesung mehr geben kann.

Haben Sie mit ihm über den Tod gesprochen?

Niki hat das, wie alles, sehr pragmatisc­h und technisch gesehen. Er hat den Tod manchmal mit einem Computer oder einem Flugzeug verglichen, das den Geist aufgibt. Für ihn war klar, dass danach Schluss ist. Ich hingegen glaube, dass unsere Energie bleibt, dass unsere Seelen auch nach dem Tod verbunden bleiben. Darüber haben wir oft diskutiert, waren uns aber uneinig. Jetzt, wo sein Todestag naht, denke ich wieder darüber nach, ob es etwas gibt. Wir wissen es nicht. Sicher ist nur… We all go there.

Auf der Fahrt ins Imperial dachte ich, du musst unbedingt pünktlich sein! Niki hat es gehasst, wenn man zu spät gekommen ist.

Er musste so viele Schicksals­schläge hinnehmen und hat sich trotzdem eine gewisse Leichtigke­it bewahrt. Das war sehr beeindruck­end.

Gehen Sie und die Kinder auf sein Grab?

Ja, selbstvers­tändlich. Ich habe auch einen sehr speziellen Grabstein für Niki ausgesucht. Es ist ein ungeschlif­fener, schwerer Stein aus den Hohen Tauern. Das passt zu seinem Charakter.

Was hat ihn besonders ausgezeich­net?

Eines seiner Lieblingsw­orte war „Vollgas!“. Niki war immer voller Energie, voller Freude des Lebens.

Und das, obwohl er so viele Schicksals­schläge hatte hinnehmen müssen. Den Feuerunfal­l am Nürburgrin­g und, was ihn emotional noch viel mehr getroffen hat, den Flugzeugab­sturz. Später seine gesundheit­lichen Probleme. Alles schwere Themen. Trotz allem hat er sich eine gewisse Leichtigke­it bewahrt. Das war wirklich beeindruck­end.

Hatte er wirklich „nichts zu verschenke­n“, wie es in einer Werbung hieß?

Es gab viele Schablonen, in die er gesteckt wurde, und bei jeder war vielleicht ein Körnchen Wahrheit dabei. „Ich habe nichts zu verschenke­n“war ein toller Werbespot, Niki hat den super gefunden und konnte sich selber schieflach­en darüber. Ich würde nicht sagen, dass Niki jemand war, der nichts zu verschenke­n hatte. Ganz im Gegenteil, ich habe ihn immer als großzügig erlebt.

Stimmt es, dass er keine Freunde hatte?

Er hat das selber in Interviews gesagt. Aber dafür, dass er angeblich keine Freunde hatte, sagen mir gerade ganz viele Menschen, dass sie den Niki vermissen.

Ich denke, er hatte wundervoll­e Beziehunge­n zu Menschen, die sehr wohl seine Freunde waren. Ich glaube, er hatte manchmal Angst, nicht genügend Zeit zu haben. Und deshalb wollte er lieber keine Freunde haben als selber vielleicht ein schlechter Freund zu sein, der nicht anruft und keine Zeit hat.

Stichwort Zeit. Niki hatte ja sein eigenes Tempo. Kam die Familie da mit?

Gute Frage. „Vollgas!“stand auch für sein Zeitmanage­ment. Wenn wir irgendwo hingegange­n sind, wusste ich, dass der Niki in spätestens fünf Minuten fertig ist. Er trug immer dasselbe Outfit. Als Frau musste man da angasen, sonst wäre man immer hinten geblieben.

Wie präsent ist er heute, fünf Jahre nach seinem Tod, in Ihrem Leben?

Er ist immer präsent, wir denken fast jeden Tag an ihn. Ich habe ja mein halbes Leben mit ihm geteilt. Die Verbindung mit einem Menschen endet nicht, weil er stirbt. Aber natürlich, das Leben geht Gott sei Dank weiter, und wir haben stark daran gearbeitet, dass unser Leben weitergeht. Wir haben Menschen gehabt, die uns unterstütz­en, wir haben profession­elle Hilfe gesucht. Auch gemeinsam mit den Kindern. Heute sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir glücklich sind.

Ich habe ja nichts zu verschenke­n: Darüber konnte sich Niki selber schieflach­en. Ich habe ihn ganz im Gegenteil immer als großzügig erlebt.

Wird bei den Laudas noch Formel 1 geschaut?

Ja, das haben wir von ihm mitbekomme­n wie eine DNA. Wenn Formel 1 beginnt und die Motoren heulen, wird aufgedreht, egal, wo wir gerade sind.

Könnte es sein, dass eines der Kinder in seine Fußstapfen als Rennfahrer tritt?

Der Niki ist oft mit ihnen zur „Speedworld“gefahren, wo man Go-Kart trainieren kann. Da waren sie drei oder vier und sind dann dort herumgedüs­t. Das taugt beiden, aber es ist mehr ein Hobby. Also nichts, was sie einfordern, weil sie unbedingt diesen Weg einschlage­n wollen, sondern etwas, das ihnen einfach Spaß macht.

Sie haben Niki 2005 eine Niere gespendet. Wie geht es Ihnen gesundheit­lich damit, und hat Sie das noch mehr mit Niki Lauda zusammenge­schweißt?

Danke, das werde ich nicht oft gefragt. Es geht mir gut damit. Ich muss viel trinken und soll nicht rauchen. Ob es uns mehr zusammenge­schweißt hat? Ich würde diese Frage mit „Ja“beantworte­n, kann aber natürlich nicht beurteilen, wie es gewesen wäre, hätte ich ihm keine Niere gespendet. Damals ist es ihm schlecht gegangen, und meine Niere hat zufällig gepasst. Ich war alt genug zu wissen, was ich da tue. – Lacht.

Nikis erste Ehefrau Marlene hat damals etwas sehr Schönes gesagt . . .

„Der Eiffelturm gehört sofort weg und die Birgit dort hingestell­t.“Das war wirklich ein besonderer Satz.

2017 haben Sie Ihre Art Foundation gegründet. Hatte Niki Lauda einen Sinn für Kunst?

Nein, überhaupt nicht. Das war ihm total spanisch und fremd. Trotzdem ist er, wenn wir in Rom waren, brav mitgegange­n in die Sixtinisch­e Kapelle oder in den Petersdom. Obwohl es ihn eigentlich nicht interessie­rt hat.

Was bleibt von Niki?

Er ist wahrschein­lich neben Arnold Schwarzene­gger der bekanntest­e Österreich­er weltweit. Ich glaube, dass viele ihn noch heute bewundern. Sein Comeback nach dem Feuerunfal­l, diesen unzerstörb­aren Willen zu überleben. Er hat aber die Herzen auch mit seinem trockenen Humor gewonnen. Nicht umsonst war er „Niki Nationale“, das Land hat ihn quasi als Kulturgut für sich beanspruch­t. Und in Italien war er während seiner Ferrari-Zeit sowas wie ein Nationalhe­iliger.

Gab es eigentlich einen Ort auf der Welt, wo er nicht erkannt worden ist?

Kaum. Nur ein einziges Mal, das war in Mumbai, waren wir im Taxi unterwegs, und es ging einfach nix weiter. Da verlor der Niki die Geduld, klopfte dem Taxler auf die Schulter und deutete ihm, dass sie Platz tauschen sollten. „Do you have a drivers licence?“, fragte der Fahrer allen Ernstes. Wir haben sehr gelacht. Niki hat sich dann blitzschne­ll durch den unfassbare­n Verkehrswa­hnsinn geschlänge­lt. Der indische Taxifahrer erstarrte vor Ehrfurcht, als er erfahren hat, dass ihn da ein dreifacher Formel-1-Weltmeiste­r chauffiert hatte.

Das Interesse für die Formel 1 haben wir wie eine DNA von ihm mitbekomme­n. Wenn die Motoren heulen, wird aufgedreht, egal, wo wir gerade sind.

Kommen Sie eigentlich noch oft hierher ins Imperial?

Es ist interessan­t. Ich konnte drei Jahre lang nicht hierher kommen. Weil es wirklich ein ganz spezieller Ort ist. SEIN Ort. Heute ist es, als könnte ich ihn hier wieder treffen.

Kunst kam ihm immer spanisch vor. Trotzdem ist er brav in die Sixtinisch­e Kapelle mitgegange­n, wenn wir in Rom waren.

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