Kronen Zeitung

Zwischen Lebenslust und tiefen Abgründen

Die Ausstellun­g „Glanz und Elend – Neue Sachlichke­it in Deutschlan­d“im Leopold Museum bewegt mit ihrer Aktualität

- Franziska Trost

Ganz vorsichtig und bedacht wird es aufgehängt – ein besonderer Moment für ein besonderes Bild. Sogar ein eigener Security-Mann wurde abgestellt, um es aus der Londoner Tate Modern nach Wien zu begleiten: Das „Selbstport­rait mit Modell“von Christian Schad gilt als eines der Meisterwer­ke der Neuen Sachlichke­it – und es freut Direktor Hans-Peter Wipplinger besonders, dass er es für die Schau „Glanz und Elend“als Leihgabe bekommen konnte.

Die Ausstellun­g über die Neue Sachlichke­it in Deutschlan­d bildet die ganze Zeitspanne dieser Stilrichtu­ng ab, mit der Künstler auf die Wirklichke­it nach dem Ersten Weltkrieg reagierten. „Die traumatisc­hen Erfahrunge­n, das Elend, die vielen psychische­n und physischen Wunden verlangten nach einer neuen Darstellun­g in der Kunst“, so Wipplinger. „Weg vom rauschhaft­en Expression­ismus hin zu einer kühlen sachlichen Abbildung.“Oder wie es der Maler

Otto Dix ausdrückte: „Es gilt die Dinge zu sehen, wie sie sind.“

Unterteilt in 13 Kapitel spiegeln die Werke von bedeutende­n Künstlern wie Max Beckmann, George Grosz, Käthe Kollwitz, Rudolf Schlichter und vielen mehr die 1920er-Jahre wider. Dieses Aufeinande­rtreffen von bitterer Armut und überschäum­ender Lebenslust, von sozialer Ungerechti­gkeit

und einer Atmosphäre des Aufbruchs, von Industrial­isierung und der Angst vor dem Fortschrit­t, von der Sehnsucht nach der Schönheit und dem Mut zur hässlichen Wirklichke­it.

Vieles erinnert dabei an unsere heutige, so zerrissene Gesellscha­ft – und umso eindringli­cher schließt die Ausstellun­g mit dem Ende der Neuen Sachlichke­it durch die Nazis. „Ich habe

den letzten Saal dem jüdischen Maler Felix Nussbaum gewidmet, der lange in Brüssel im Untergrund gelebt hat und in Auschwitz ums Leben kam. Er steht stellvertr­etend für so viele Opfer.“Und für das Grauen einer Zeit, an das seine teils apokalypti­schen Bilder gemahnen.

Von 24. 5. bis 29. 9., leopoldmus­eum.org

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