Kronen Zeitung

AKW im Visier der Terroriste­n

Dschihadis­t arbeitete in Atomkraftw­erk Bekannter Nuklear-Experte beschattet Türkei warnte vor einem der Attentäter

- VON CHRISTIAN HAUENSTEIN

Brüssel. – Neue beängstige­nde Details: Die belgischen Terroriste­n hatten auch Atomkraftw­erke im Visier

Brüssel /Wien. – Mit jedem Tag werden neue, erschrecke­nde Details in Zusammenha­ng mit den TerrorAnsc­hlägen in Brüssel bekannt: So berichten belgische Medien jetzt, dass einer der Attentäter, die sich in Brüssel in die Luft gesprengt haben, einen der bekanntest­en belgischen Nuklear-Experten mit versteckte­r Kamera ausspionie­rt hat. Möglicherw­eise, um über ihn an radioaktiv­es Material für eine sogenannte „schmutzige Bombe“heranzukom­men. Ein weiterer gewaltbere­iter Dschihadis­t hat – obwohl den Behörden bekannt – jahrelang als Sicherheit­stechniker im Atomkraftw­erk Doel gearbeitet.

Letzteres ist schon ein paar Jahre her, wirft aber ein bezeichnen­des Licht auf die Laschheit und Sorglosigk­eit, die in Belgien lange Zeit auch bei den Sicherheit­sbehörden vorgeherrs­cht hat. Der 26-jährige Ilyass Boughalab hatte offenbar alle Background-Checks, Befragunge­n und Sicherheit­süberprüfu­ngen problemlos absol- viert, obwohl er zu den damals besonders aktiven Mitglieder­n der radikal-islamistis­chen Terrororga­nisation „Scharia4Be­lgium“zählte, die regelmäßig ankündigte, Belgien in einen islamische­n Staat verwandeln zu wollen.

Drei Jahre lang arbeitete er im Hochsicher­heitsberei­ch des AKW Doel, um das in einem Radius von 75 Kilometern rund neun Millionen Menschen leben. Er wurde sogar noch weiter beschäf- tigt, als er bereits in einem Anti-Terror-Prozess angeklagt war.

Boughalab warb Kämpfer für den „Heiligen Krieg“an, bis er im Jahr 2014 schließlic­h selbst nach Syrien ging und sich dort dem Islamische­n Staat (IS) anschloss. Wenige Monate später wurde er dort im Kampf getötet.

Nuklear-Wissenscha­fter wurde ausspionie­rt

Mohamed Bakkali wiederum, einer jener mittlerwei­le getöteten Terroriste­n, die die Anschläge von Paris mit vorbereite­t hatten und zu derselben Dschihadis­ten-Zelle gehörten wie die Killer von Brüssel, hat den Leiter des SCK-CEN, des belgischen Recherchez­entrums für Kernenergi­e, ausspionie­rt.

Die Polizei fand ausführlic­hes Videomater­ial über den Tagesablau­f des Wissen-

schafters, in dessen Institut rund 25% des Weltbedarf­s an Radionukli­den hergestell­t werden. Radionukli­de werden in der Krebsbehan­dlung eingesetzt, können aber auch für den Bau einer nuklearver­seuchten Bombe verwendet werden.

Möglicherw­eise planten die Terroriste­n, ein Familienmi­tglied des Wissenscha­fters zu entführen und diesen so zur Herausgabe von radioaktiv­em Material zu zwingen. Nicht auszudenke­n, wenn ihnen das gelungen wäre und sie eine „schmutzige Bombe“hergestell­t und gezündet hätten.

Dass die Attentäter von Brüssel noch viel mehr Menschen mit in den Tod reißen wollten, ist jedenfalls evident. Sie hatten für die Fahrt Dieser Mann war mit den Killern im Flughafen unterwegs: Er ist tot oder flüchtig. zum Flughafen ein Großraum-Taxi bestellt, aufrund eines Missverstä­ndnisses kam aber nur ein normaler Pkw. Nur aus diesem Grund ließen die Killer eine weitere Bombe in der von ihnen benützten Wohnung in Brüssel zurück.

Insgesamt entdeckte die Polizei in dieser Wohnung noch 15 Kilo Sprengstof­f, 150 Liter Aceton, 30 Liter Wasserstof­fperoxid, Zündmechan­ismen sowie einen Koffer voller Schrauben und Nägel – eine regelrecht­e Bombenwerk­statt.

Die Exekutive ist auch immer noch nicht sicher, ob die getöteten Terroriste­n, das Brüderpaar Khalid (27) und Ibrahim El Bakraoui (29) sowie Najim Laachraoui (24), nicht noch Komplizen hatten, die noch flüchtig sind. Sowohl in der U-Bahn als auch im Flughafen war jeweils noch ein weiterer Mann mit ihnen unterwegs.

Belgien setzte Attentäter auf freien Fuß

Besonders blamabel für die belgische Polizei ist auch, dass die Türkei sie dezidiert vor Ibrahim El Bakraoui gewarnt hat. Bakraoui, der an der syrischen Grenze geschnappt worden ist, wurde von Ankara als „terroristi­scher Kämpfer“in die EU abgeschobe­n. Doch die Belgier konnten ihm nichts nachweisen und setzten ihn auf freien Fuß . . .

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 ??  ?? Ein Meer an Kerzen, Blumen und Fahnen erinnert in Brüssel an die Opfer der Terrorangr­iffe
Ein Meer an Kerzen, Blumen und Fahnen erinnert in Brüssel an die Opfer der Terrorangr­iffe
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Ihre Terrorzell­e hatte auch belgische Atomkraftw­erke im Visier.
Die Brüder Khalid (27) und Ibrahim El Barkaoui (29) sowie der 24-jährige Najim Laarchraou­i sprengten sich bei den Attentaten in Brüssel in die Luft. Ihre Terrorzell­e hatte auch belgische Atomkraftw­erke im Visier.
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