Alles sehr theoretisch
Reichenau a. d. Rax: „ Baumeister Solness“
Mit Henrik Ibsens „ Baumeister Solness“hat die Sommertheatersaison in Reichenau begonnen. Hauptdarsteller Joseph Lorenz hat dabei für sich und ein sehr anständiges Schauspielerensemble selbst Regie- Hand angelegt. Keine besonders gute Idee: Ibsen bleibt zu papieren gepflegt an der sommerfrischen Oberfläche.
Spektakulär war der grandiose Regenbogen, der sich gegen Pausenende übers Sommerfrische- Tal spannte. Aber im kleinen Theater selbst zog dagegen Ibsens „ Baumeister Solness“weit weniger aufregend vorüber.
Zu beweisen wäre gewesen, wie sehr die Thematik des Stücks von 1892 auch heute noch bewegen könnte. Wie sehr der skrupellose Karrierist Solness, der alle Menschen an seiner Seite ausnützende Egomane, den sich Ibsen vor über hundert Jahren ausgedacht hat, auch heute noch gültig ist. Wäre er gewiss und brennend! Aber nicht an diesem viel zu harmlosen Abend. Problematisch die wenig Atmosphäre, vor allem IkeaSchick atmende Bühnendekoration ( Peter Loidolt; Kostüme: Erika Navas).
Immerhin steht von Beginn an jenes Gerüst auf der Bühne, das der Baumeister am Ende besteigen wird, um vom Dach in den Tod zu stürzen. Als er selbst, nicht schwindelfrei, aus verliebtem Leichtsinn, einen Richtkranz aufhängen möchte.
Es hätte eine starke Regiefantasie, einen kraftvollen Theaterdenker gebraucht, um das in die Jahre gekommene Stück wieder brisant zuzuspitzen. So lässt Joseph Lorenz den ergrauten Feschak raushängen, eitel, charmant unsympathisch, aber letztlich ungefährlich harmlos. Ein konventionelles Spiel, das keine Überraschungen bereithält. Einzig bei Julia von Sell als Solness’ Gattin Aline glitzert es manchmal nach mehr.
Elisa Seydel muss als verzwickte Buchhalterin brav die Hornbrille tragen, während ihr ewiger Verlobter ein kleines bisserl den Revoluzzer zeigen darf. Schließlich schneit Hilde Wangel, für die Solness vom Dach fällt, ins Haus. Alma Hasun legt sie zwischen kokettem Backfisch und verzogener Göre an. Mit Verve, doch glaubt man das alles am Ende nicht. Hans Dieter Knebel und Peter Moucka ergänzen das Ensemble, dem Ibsen nur sehr theoretisches Theaterleben einzuhauchen vermag.