Ohne Wurst
Extra bis Mitternacht aufgeblieben, um Conchita Wurst in der Talkshow von Markus Lanz nicht zu verpassen. Sie sieht jetzt aus wie Jesus mit falschen Wimpern. Schwarze Jacke ohne was darunter, auf der nackten Brust kräuseln sich die Haare. Die Stimme ein paar Tonlagen tiefer. „ Conchita“, meinte sie mit verführerischem Augenaufschlag. „ Nur Conchita, ohne Wurst.“
Mir fiel das Märchen der kleinen Raupe ein, die tief in ihrem Inneren spürte, dass sie ein wunderschönes Wesen mit einzigartigen Talenten ist. Tom Neuwirth war für mich so eine Raupe. Und verwandelte sich eines Tages in die Bartfrau im Glitzerkleid, die für uns den Eurovision Song Contest gewann. In den buntesten, schrillsten Schmetterling, der je aus Österreich hinaus in die Welt geflattert ist. Rise like a Phoenix.
Conchita sagt selbst, dass ihr dieses Spiel mit der Kunstfigur, mit der zweiten Identität, körperliche Qualen bereitet habe. Das ständige Schminken, das Harzen, die Bart- und Perückenpflege, das Verstecken der Geschlechtsmerkmale. Muss verdammt anstrengend gewesen sein.
Wenn die Sängerin die Rolle der Frau Wurst nun langsam ablegt, und danach sah es bei Markus Lanz aus, dann wird sie das Interesse und die Gunst des Publikums nicht in ihr neues Leben mitnehmen können.
Aber Tom wird wieder der Mensch sein, der er ist und immer war. Und verdammt stolz kann Raupe Tom auch sein. Dafür, dass er uns den Schmetterling Conchita geschenkt hat.