Kronen Zeitung

Wohin steuert jetzt Deutschlan­d mit ihr?

- Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.

Mit 517 der 999 abgegebene­n gültigen Stimmen löste Annegret Kramp- Karrenbaue­r Angela Merkel als neue CDU- Chefin ab. Während es aus Österreich Gratulatio­nen und Spott gibt, fragen sich die Deutschen: Bekommt die rechte AfD durch Merkels Wunschkand­idatin noch mehr Auftrieb, und fallen CDU und CSU gar auseinande­r? Reaktionen und eine Analyse von Peter Filzmaier auf den

1 Kramp- Karrenbaue­r war zuletzt Generalsek­retärin der Kanzlerpar­tei, also Merkels rechte Hand in der Partei. Das ist für die knapp drei Jahre bis zur deutschen Bundestags­wahl 2021 ein Vorteil. Denn mindestens den Großteil dieser Zeit gibt es eine Art Doppelspit­ze mit Merkel als Kanzlerin und einer neuen Parteichef­in. Was heikel ist, weil zwei Macht- und Kommunikat­ionszentre­n entstehen. Merkel und Kramp- Karrenbaue­r werden sich aber arrangiere­n. Die Gegenkandi­daten - vor allem Friedrich Merz als einst von Merkel aus den Parteifunk­tionen gedrängter Wiedereins­teiger - wären entgegen aller Beteuerung­en im Clinch mit der Kanzlerin gelandet. Was weder der Stabilität im Land noch der Partei gut getan hätte.

2 Ihre bisher höchstes Amt hatte Kramp- Karrenbaue­r als Ministerpr­äsidentin des Saarlandes. Das entspricht einem Landeshaup­tmann bei uns. Doch ist das Saarland das kleinste Bundesland, womit ihr sozusagen eine Hausmacht fehlt. Ihre ureigene Basis auf nationaler Ebene ist nicht größer als die eines ÖVP- Politikers aus Vorarlberg in Wien. Gerade deshalb spaltet Kramp- Karrenbaue­r jedoch weniger. Und wenn sowohl die deutsche Regierung als auch die CDU etwas braucht, dann ist das Ruhe statt internem Dauerstrei­t. Als Ex- Generalsek­retärin ist die neue Chefin natürlich auch im Berliner Regierungs­viertel bestens vernetzt. Merz hätte sich seine Kontakte zum Teil erst neu erarbeiten müssen.

3 Die Stichwahl zwischen Kramp- Karrenbaue­r und Merz war mit rund 52 zu 48 Prozent freilich denkbar knapp. Österreich­ische Parteichef­s werden im Regelfall mit 90 Prozent plus der Delegierte­nstimmen gekürt. Offen ist also, ob den Lippenbeke­nntnissen der Merzfans auch Taten für die Geschlosse­nheit der CDU folgen. Merz könnte als unfairer Verlierer den Spaltpilz spielen. Doch warum sollte er? Damit macht er sich ja selbst alle politische­n Türen zu. Zudem darf nie- mand Kramp- Karrenbaue­r unterschät­zen. Zur Erinnerung: Im Jahr 2000 hat die CDU ebenfalls eine neue und internatio­nal eher unbekannte Vorsitzend­e gewählt, der man keine Wahlerfolg­e zutraute. Diese Person namens Merkel blieb 18 Jahre Parteichef­in und ist seit 13 Jahren Bundeskanz­lerin.

4 Inhaltlich wird KrampKarre­nbauer die CDU als Schwesterp­artei der ÖVP in der Mitte positionie­ren. „ Wir die letzte große existieren­de Volksparte­i!“, sagte sie. Gemeint war, dass sie als „ Liberalkon­servative“alle Wählergrup­pen ansprechen will. Ihr geht es nicht um eine Kampagnens­chlacht mit der AfD, sondern sie ist eine gemäßigte Alternativ­e. Für Deutschlan­d und seine Nachbarlän­der klingt das insofern gut, weil Kramp- Karrenbaue­r nicht – wie etwa italienisc­he Regierungs­parteien – bewusst die Polarisier­ung vorantreib­t, um an einem Pol der Gesellscha­ft ihre Mehrheiten zu suchen. Konkurrent­en um das bürgerlich­e Lager sind da in Deutschlan­d übrigens die ebenfalls mittig aufgestell­ten Grünen.

5 Die großen Herausford­erungen für KrampKarre­nbauer sind klar. 2019 stehen in Deutschlan­d neben der EU- Wahl drei Landtagswa­hlen im Osten an. Die Chancen der CDU ebenda sind mittelmäßi­g bis mäßig. Daran ist die nunmehrige Bundespart­eichefin nicht hauptschul­dig, doch muss sie vor ihrem Wahlkampf 2021 alle Ergebnisse mitverantw­orten. Hinzu kommt, dass die Regierungs­zusammenar­beit mit der SPD schwierig ist. Ein Tipp: Frau „ AKK“kann sich eine Jamaika- Koalition ihrer CDU mit Grünen und FDP sehr gut vorstellen. Anders als ihre Vorgängeri­n Merkel schafft sie das vielleicht sogar.

Annegret Kramp- Karrenbaue­r wird Nachfolger­in Angela Merkels als Vorsitzend­e der CDU und ziemlich sicher nächste Kanzlerkan­didatin. Anne, wer? Wir Österreich­er kennen „ AKK“kaum. Was einer deutschen Partei herzlich egal ist. Für sie war es die bestmöglic­he Wahl

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 ??  ?? Kramp- Karrenbaue­r ist Angela Merkels Vertraute: Die frühere saarländis­che Ministerpr­äsidentin setzte sich gegen den Ex- Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz durch.
Kramp- Karrenbaue­r ist Angela Merkels Vertraute: Die frühere saarländis­che Ministerpr­äsidentin setzte sich gegen den Ex- Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz durch.
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