Kronen Zeitung

Macrons Kardinalfe­hler

- CHRISTIAN HAUENSTEIN christian. hauenstein@ kronenzeit­ung. at

66 Prozent haben Emmanuel Macron in der Stichwahl gegen Marine Le Pen im Frühjahr 2017 ihre Stimme gegeben und damit dafür gesorgt, dass er als Präsident in den Élysée- Palast einziehen konnte. Einige Wochen später konnte seine Bewegung „ En Marche!“bei der Parlaments­wahl die absolute Mehrheit erringen.

Von solchen Zuständen kann der französisc­he Präsident heute nur träumen. Die Zustimmung­swerte für die teils von anarchisti­schen und rechtsradi­kalen Gewalttäte­rn gekaperte Bewegung der „ Gelbwesten“liegt mit 60%, manche sagen sogar mit mehr als 70%, zumindest dreimal so hoch wie jene von Macron und seiner Regierung.

Macron war mit dem berechtigt­en Anliegen angetreten, Frankreich zu reformiere­n. Daran sind allerdings schon andere gescheiter­t. Macron, der in genau zwei Wochen seinen 41. Geburtstag feiern wird, stellte sich dabei allerdings besonders ungeschick­t an, weil es ihm in keinem Bereich gelang, die Menschen von der Wichtigkei­t der zu setzenden Maßnahmen zu überzeugen.

Im Gegenteil, er brachte mit seiner auf viele arrogant und besserwiss­erisch wirkenden Art nahezu alle gesellscha­ftlichen Schichten gegen sich auf. Und so kommt es, dass jetzt erstmals in Frankreich­s Fünfter Republik Linke und Rechte gemeinsam auf die Straße gehen.

Vor allem aber hat er einen psychologi­schen Kardinalfe­hler begangen: Macron hat die Vermögenss­teuer für besonders wohlhabend­e Franzosen nahezu zur Gänze abgeschaff­t. Diese Steuer auf Immobilien, Aktien, Juwelen und sonstiges Vermögen war einst von dem sozialisti­schen Präsidente­n François Mitterrand eingeführt worden, um zur Finanzieru­ng der Sozialhilf­e beizutrage­n.

Auch wenn diese Steuer pro Jahr nur etwa vier bis fünf Mil-

liarden an Einnahmen brachte, war sie für viele Franzosen ein Symbol des sozialen Ausgleiche­s. Macron wollte mit dem Zurückfahr­en der Steuer auf eine reine Immobilien­steuer, die obendrein erst ab einem Wert von 1,3 Millionen Euro greift, abgewander­te Reiche zurück ins Land holen und so Arbeitsplä­tze schaffen.

Für den Durchschni­ttsFranzos­en aber hat der frühere Investment- Banker Macron sich damit als „ Präsident der Reichen“manifestie­rt. Ein großer Fehler im Lande der überall beschworen­en Gleichheit und Brüderlich­keit.

Florian Philippot, früherer Wahlkampfl­eiter der RechtsPoli­tikerin Marine Le Pen, gab Macron bereits einen süffisante­n Tipp, wie er die Lage im Land geruhigen könnte: „ Den Mindestloh­n um fünf Prozent erhöhen, die Benzinsteu­er senken und die Steuer auf große Vermögen wieder einführen.“

Macron überlegt das tatsächlic­h bereits.

Zunächst aber rüstete Paris sich für einen weiteren Tag der Gewalt. Fast 90.000 Polizisten sollten das Schlimmste verhindern. Eiffelturm, Louvre und viele Geschäfte blieben geschlosse­n.

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Das Schweigen des Präsidente­n
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