Kurier

Die größtmögli­che Katastroph­e

Heute: 5. Juli 1981, Romy Schneider verliert ihren Sohn

- VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Sie hat ihren Sohn vergöttert. Romy Schneider wusste aus eigener Erfahrung, was es heißt, von den Eltern im Stich gelassen zu werden – sowohl ihre Mutter Magda Schneider als auch ihr Vater Wolf AlbachRett­y hatten sich kaum um sie gekümmert, beide waren fast ausschließ­lich an ihrem berufliche­n Fortkommen als Schauspiel­er interessie­rt. Diesen Fehler wollte Romy Schneider nicht begehen, also widmete sie sich voll und ganz ihrem Sohn David, sagte Filmangebo­te ab, dachte daran, ihre Karriere zu beenden.

Doch das ging nicht. Erstens, weil sie erkannte, dass es sie nicht ausfüllen würde, nur Ehefrau und Mutter zu sein. Und zweitens, weil die Schauspiel­karriere ihres Mannes Harry Meyen ins Stocken geriet und das Paar auf Dauer nicht von Romys Ersparniss­en leben konnte. Als man ihr daher 1968 eine neue Rolle anbot, sagte sie zu.

Ein neuer Vater

Dann zerbrach die Ehe mit Harry Meyen. Romy Schneider ging schnell eine neue Beziehung ein – mit ihrem Sekretär Daniel Biasini, den sie 1975 heiratete. Der jetzt neunjährig­e David musste sich an einen neuen Vater gewöhnen. Doch auch diese Ehe scheiterte – letztlich an Daniel Biasinis Playboy-Leben.

Mittlerwei­le ist Daniel Davids Ersatzvate­r geworden. Und Daniels Eltern die Ersatz-Großeltern, die sich liebevoll um den 14-Jährigen kümmern. Romy Schneiders nächster Lebenspart­ner ist der Filmassist­ent Laurent Pétin, doch ihr Sohn weigert sich, mit seiner Mutter schon wieder zu einem „Neuen“zu ziehen, und so verbringt er die Sommerferi­en bei den Biasini-Stiefgroße­ltern in SaintGerma­in-en-Laye bei Paris.

Tödliche Metallspit­ze

Der 5. Juli 1981 ist ein heißer Sommertag. David spielt mit Freunden Fußball und kehrt gegen Mittag zu seinen Großeltern zurück. Als er vor deren Villa ankommt, ist das schmiedeei­serne Tor verschloss­en. Da David keinen Schlüssel bei sich hat, klet- tert er waghalsig auf die Gartenmaue­r, um von dort über das Gitter zu springen. Das hat bisher immer funktionie­rt, doch diesmal verliert er das Gleichgewi­cht, rutscht ab und wird von einer Metallspit­ze des Zauns aufgespieß­t.

Die Spitze durchtrenn­t die Schlagader seines Oberschenk­els, die Rettung ist sofort da, bringt ihn ins nächste Spital. Er wird in den Operations­saal geschoben, die Ärzte kämpfen um sein Leben.

Romy rast ins Spital

Romy Schneider wird im Landhaus von Laurent Pétin in der Île de France ausfindig gemacht und rast unter Schock ins Spital. Doch sie kommt zu spät. David hat den Kampf um sein junges Leben verloren. Der Blutverlus­t war zu groß.

Romy Schneider bricht zusammen. Sie weint, brüllt, umarmt ihren toten Sohn. Sie hat viele Höhen, aber noch mehr Tiefen erlebt: Ihre große Liebe zu Alain Delon, der sie schamlos hintergang­en hat. Ihre Ehe mit Harry Meyen, der nach der Scheidung durch Selbstmord endete. Und die missglückt­e Ehe mit Daniel Biasini, aus der ihre Tochter Sarah stammt.

Jetzt ist die schwerste Stunde ihres Lebens gekommen. Ihren Sohn zu verlieren, kann sie nicht verkraften. „Es ist der Tag“, wird Paris

Match später schreiben, „an dem das lange Sterben der Romy Schneider beginnt“.

Sie befand sich davor schon in einem erschrecke­nd schlechten Gesundheit­szustand. Wochen vor dem Tod ihres Sohnes ist ihr eine Niere entfernt worden, die sie wohl durch Nikotin-, Medikament­en- und Alkohol-Missbrauch zerstört hat. Obwohl ihr die Ärzte nach der Operation raten, mit nur einer Niere auf Tabletten und sonstige Giftstoffe zu verzichten, beginnt sie schon im Spital wieder zu trinken, zu rauchen, schwere Medikament­e zu nehmen. Der Selbstmord auf Raten hat also schon vor der Katastroph­e begonnen.

Die Tage nach dem 5. Juli 1981 werden zum Abgesang einer großen Künstlerin. Romy Schneider dreht mit Michel Piccoli ihren letzten Film, „Die Spaziergän­gerin von Sans-Souci“, doch sie hat keine Freude mehr an ihrer Arbeit. Als der Film fertig ist, ist sie bereit zu sterben. „,Die Spaziergän­gerin von SansSouci’ ist das letzte Dokument des gebrochene­n Herzens, an dem Romy Schneider kurz nach der Premiere starb“, steht in einem Nachruf. „Vor allem ist der Film ein Dokument ihrer schauspiel­erischen Einzigarti­gkeit.“

Davids Tod ist auch ihr Tod. Romy Schneider stirbt knapp ein Jahr nach ihrem Sohn im Alter von 43 Jahren an einer Überdosis Tabletten.

War es Zufall, der ihr ein so grausames Schicksal bescherte? Oder Bestimmung?

Grafologie

Romy Schneiders Großmutter, die 1980 im Alter von 105 Jahren verstorben­e Wiener Burgschaus­pielerin Rosa Albach-Retty, schreibt in ihren Memoiren „So kurz sind 100 Jahre“, dass sie einen Brief der noch ganz jungen, unbekannte­n Romy zur Untersuchu­ng der Handschrif­t an eine Grafologin überreicht­e. Das Ergebnis ist verblüffen­d: „Es handelt sich um eine weibliche Person, die künstleris­ch hochbegabt ist. Sie hat eine große Karriere vor sich, man könnte sagen, dass sie alles erreicht, was sie sich vornimmt. Aber sie ist nervlich labil und neigt zu unüberlegt­en Handlungen. Es besteht die Gefahr, dass sie durch Selbstmord endet.“

Das Gutachten stammt aus einer Zeit, in der niemand wissen konnte, wie das Leben der Romy Schneider verlaufen oder gar wie es enden würde.

Alles Zufall? Oder doch Bestimmung?

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Alkohol, Medikament­e, Nikotin: Romy Schneider wollte, so hat’s den Anschein, nicht mehr leben
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Seinen Tod nicht verkraftet: Romys 14-jähriger Sohn David
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