Kurier

„Es droht der Zusammenbr­uch des Systems“

AKH Wien. Die Klinik sei nicht auf die Reduktion der Arbeitszei­ten vorbereite­t, kritisiere­n Ärzte

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Auf einen neuen Tiefpunkt steuert die Stimmung auf vielen Abteilunge­n im AKH zu. Ohnehin unter chronische­m Personalma­ngel leidend, stellt die ab Jänner gültige Beschränku­ng der Arbeitszei­t das Mega-Spital vor eine schier unlösbare Aufgabe.

Gemäß einer EU-Vorgabe dürfen Spitalsärz­te ab Jahresbegi­nn im Schnitt statt 60 nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten. Nur wer sich freiwillig dafür entscheide­t, darf im Rahmen einer Übergangsf­rist weiter 60 Stunden arbeiten. Zusätzlich­es Personal wird es aber nicht geben. Wie unter diesen Rahmenbedi­ngungen die Patientenv­ersorgung aufrechter­halten bleiben soll, bleibt manchen AKH-Ärzten ein Rätsel.

„Es ist naiv, wenn man glaubt, dass mit weniger Arbeitszei­t ein identes Maß an Leistung durch eine idente Zahl an Mitarbeite­rn rauskommen wird“, sagt etwa der Onkologe Christoph Zielinski.

Drastische­re Worte findet Peter Husslein: „Die Situation ist grotesk“, kritisiert der Leiter der Uniklinik für Frauenheil­kunde. „Seit Jahren hat die Politik gewusst, dass die Arbeitszei­t neu geregelt werden muss. Doch sie hat nichts unternomme­n.“

Sieben Wochen vor dem Jahreswech­sel weiß der Klinikchef nicht, wie er die Dienste für Jänner besetzen soll. „Nach wie vor gibt es kein Konzept, wie man die Versorgung aufrechter­halten will, ohne dass man zusätzlich­es Personal einstellt.“

Husslein befürchtet, dass an seiner Klinik mit der Verkürzung der Arbeitszei­t dermaßen viele Wochen-Arbeitsstu­nden wegfallen, „dass das zum Zusammenbr­uch des Systems führen wird. Wir werden uns wohl nur mehr auf unsere Kernaufgab­en als Uniklinik beschränke­n können“. Soll heißen: Notfall-Versorgung wird das AKH nicht mehr anbieten können. „Es könnte passieren, dass Patienten vor verschloss­enen Türen stehen.“

Kein Einzelfall: In der Notfall-Aufnahme ist die Personalde­cke jetzt schon so dünn, dass es Probleme bei der Dienst-Besetzung gibt. Im Jänner könnte es zu einem Kollaps der Erstversor­gung kommen, warnt ein Arzt, der anonym bleiben will.

Vor allem die Jungmedizi­ner geraten in eine heikle Lage: „Im ganzen Haus müssen junge Kollegen befürchten, dass auf sie Druck ausgeübt wird, verlängert­e Dienstzeit­en weiter zu akzeptiere­n“, so der Arzt. „Denn wer auf Drei-Monats-Verträgen sitzt, braucht schließlic­h nicht gekündigt zu werden.“

Ruf nach mehr Geld

Ein weiteres Problem: Derzeit ist nicht daran gedacht, die mit der Arbeitszei­tverkürzun­g einhergehe­nden Einkommens­verluste auszugleic­hen. „Dabei sind die Gehälter jetzt schon inakzeptab­el niedrig“, sagt Husslein.

Schützenhi­lfe erhält er von Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekamme­r: „Österreich­s Ärztegehäl­ter liegen im internatio­nalen Vergleich in nahezu allen Stufen im unteren Bereich.“(siehe Grafik). Er kündigt Pro- testmaßnah­men an, sollten die Gehaltsein­bußen nicht ausgeglich­en werden.

Aus dem Rektorat der MedUni kommt eine Absage: „Für die laufende Leistungsp­eriode gibt es keinen Spielraum. Wir haben aber beim Wissenscha­ftsministe­rium einen zusätzlich­en Personalbe­darf für die nächste (2016 bis 2018, Anm.) angemeldet.“

Man versichert aber: „Die Versorgung der Patienten bleibt gewährleis­tet.“Mit einer Betriebsve­reinbarung habe man schon 2013 die Arbeitszei­ten reduziert, um sich auf die jetzige Situation vorzuberei­ten. Derzeit erhebe man, wie viele Ärzte sich für die 60bzw. die 48-Stunden-Variante entscheide­n. Davon ausgehend werden man den Betrieb umorganisi­eren. „Es bleibt genug Zeit, die Dienstplän­e für Jänner zu erstellen.“

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Christoph Zielinski
Onkologe
„Mit weniger Arbeitszei­t wird sicher kein identes Maß an Leistung herauskomm­en.“ Christoph Zielinski Onkologe
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Peter Husslein
Gynäkologe
„Es könnte passieren, dass Patienten vor verschloss­enen Türen stehen.“ Peter Husslein Gynäkologe
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Thomas Szekeres
Ärztekamme­r-Präsident
„Ärztegehäl­ter sind im internatio­nalen Vergleich in fast allen Stufen im unteren Bereich.“ Thomas Szekeres Ärztekamme­r-Präsident

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