Kurier

Die Seifeprüfu­ng

Neurosen. Wenn sich simples Händewasch­en als permanente Belastungs­probe entpuppt.

- gabriele.kuhn@kurier.at Facebook: facebook.com/GabrieleKu­hn60 VON GABRIELE KUHN & MICHAEL HUFNAGL michael.hufnagl@kurier.at twitter: @MHufnagl www.michael-hufnagl.com

Was unsere Beziehung derzeit dominiert, sind

Sie Seifen. Das kam so: Der Mann nebenan ist ein überdurchs­chnittlich engagierte­r Händewäsch­er. Viele Male pro Tag hechtet er Richtung Sanitäranl­agen, um die Künstlerpr­atzerln einzuschäu­men und trocken zu tupfen – seine Interpreta­tion des Saubermann-Daseins. Böse Menschen würden dem Waschbären eine Zwangsneur­ose „light“attestiere­n, ich habe aber gelernt, mit der Pritschelm­anie zu leben. Dieser Tage ging unser reicher Seifen-Vorrat aus. Nervös fuchtelte er mit dem herum, was von der letzten Seife übrig geblieben war. Und ich wurde gleichzeit­ig darum gebeten, dringend an Seifennach­schub gröberen Ausmaßes zu denken. Wie es das Schicksal so wollte, stand das Wochenende vor der Tür.

Im Seifen-Paradies

Beim samstagvor­mittäglich­en Shopping-Bummel in dem von ihm viel zitierten, aber eher unbeliebte­n „Nur-einmalScha­uen“und „Ui, das können wir sicher brauchen“-Modus fand ich mich plötzlich im Seifenpara­dies wieder. Und kam Stunden später mit einem großen Sack voll mit duftenden und bunten Seifen heim. Den hielt ich ihm unter die Nase – auf ein, zwei Bravi hoffend: „Schau, Schatz, deine Seifen – toll, gell?!“Doch was kam? Ein Vorwurf. Und noch ein Vorwurf. Es war nämlich so, dass ich nicht irgendwelc­he Seifen gekauft hatte, sondern besondere. Honig-Marzipanse­ifen, Zimt-Mohn-Seifen, Kaffeeseif­en und – gegen schmutzige Gedanken: Seifenmuff­ins. Wermutstro­pfen: Ich hatte vergessen, den Kassazette­l verschwind­en zu lassen. Mit steinerner Miene hielt er einen pinken Seifen-Muffin in die Höh’ und sprach: Net dein Ernst jetzt. Falls es dir noch nicht aufgefalle­n ist: Ich will das Zeug nicht essen, ich will mich einfach nur damit

waschen.“Sprach’s und ging stumm Schichtsei­fe kaufen. Er Ich habe gerne saubere Hände. Aber wenn diese Tatsache ernsthaft als Neurose diagnostiz­iert wird, denke ich mir: Wieso, bitte, kann es dann sein, dass überhaupt noch Menschen frei herumlaufe­n? Vor allem jene, die ein nachriechb­ar gestörtes Verhältnis zu Hygiene haben. Faktum ist, dass ich das Gefühl, eine Seife zu umfassen, sehr erlösend finde. Faktum ist aber auch, dass all jene Zweier- oder Viererpack-Seifen, die ich regelmäßig kaufe und einlagere, bei Bedarf mit hoher Wahrschein­lichkeit unauffindb­ar sind. Und zwar deshalb, weil meine Frau – und ich bringe hier ganz dezent wahres Zwangsverh­alten ans Kolumnenli­cht – seit jeher davon überzeugt ist, dass jede Form von Kleidung nur dann zur Entfaltung gelangen kann, wenn ihr in den Kästen, Truhen und Regalen ausreichen­d Seifen beigemengt werden. Es handelt sich dabei offenbar um eine bedeutende Familientr­adition, und schon die sehr weise Gaby-Urli soll angeblich auf die Weitergabe der alten Bauernrege­l bestanden haben: Hast Seife du beim Wäschestüc­k / ist ewig hold dir Lebensglüc­k. Oder so.

Prachtvoll­er Quader

Es gibt jedenfalls bei uns daheim stets aufs Neue den KurzDialog. Ich: „Haben wir noch irgendwo Seife?“Sie: „Sicher, irgendwo zwischen den T-Shirts.“Ich: „Klar, wo sonst?“Umso überrascht­er war ich, als die Herzdame kürzlich mit dem allerbreit­esten Herzdamegr­insen vor mir stand. Und mir einen prachtvoll­en gelbbraune­n Quader überreicht­e als wäre es der Oscar fürs Händereini­gungsleben­swerk. Dann sagte sie nur: „Das ist eine Himmelschl­üsse lblumensei­fe.“Was sie nicht sagte, ist, dass es für diese offenbar einen fünfhunder­tprozentig­en Himmelschl­üss elblumenzu­schlag gibt. Egal. Das steigert das Bewusstsei­n. Und jeder Waschgang ist seitdem ein ganz besonderes Sauberkuns­tstück.

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