Premiere im Hohen Haus: Wenn Lehrlinge Gesetze initiieren
Erstes Lehrlingsparlament. Jugendliche schlüpften in die Rolle von Abgeordneten und probten die Änderung der Vorschriften für ihre Ausbildung
1978 wurden die grundlegenden gesetzlichen Bestimmungen über die Pflichten für Lehrberechtigte und Lehrlinge beschlossen. Wer nach dem damals neuen Berufsausbildungsgesetz die Lehre absolviert hat, ist mittlerweile (fast) in Pension.
Abgesehen von den einen oder anderen kleinen Abänderungen standen am Donnerstag erstmals gröbere Änderungen dieses Gesetzes auf der Tagesordnung im Plenarsaal des Nationalrates – sowie im Ausschuss und in den Klubsitzungen – allerdings der Fraktionen Türkis, Violett, Gelb, Weiß und Grau.
Die Abgeordneten waren rund 100 Jugendliche des ersten österreichischen Lehrlingsparlaments.
Lehrlinge der zehn größ- ten heimischen Ausbildungsbetriebe (ÖBB, Voest Alpine, Kapsch, Spar, Wiener Linien ...) wurden von Nationalratspräsidentin Doris Bures ein- geladen, um eineinhalb Tage im Hohen Haus zu erleben und mitzugestalten – nach ähnlichem Muster wie die „Jugendparlamente“für Schulklassen, die schon 14 Mal stattfanden.
Beim Lehrlingsparlament ging es darum, einen fiktiven Gesetzesvorschlag zu diskutieren, abzuändern, Koalitionen mit anderen „Parteien“zu schließen, um Mehrheiten zu finden. Am Ende wurde im Plenum debattiert und mehrere Beschlüsse wurden gefasst. Zentrale Anliegen der Jugendlichen: Eine gesetzliche Verpflichtung, um die Qualität der Lehre zu halten bzw. zu verbessern und nicht nur von einzelnen Betrieben abhängig zu machen; die Verpflichtung zur Fortbildung nicht nur für Lehrlinge, sondern auch für jene, die sie in den Unternehmen ausbilden.
Wie zum Beispiel Sophie Meisel, Informations- und Elektrotechnik-Lehrling bei A1, die dem KURIER erzählte, dass sie gerade im ersten Lehrjahr ihrer zweiten Ausbildung sei. Bei ihrer ersten Lehrstelle – sie wurde Großhandelskauffrau – hätte sie nur wenig gelernt.
Fürs „echte Parlament“
Die Lehrlinge forderten auch, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in der Ausbildung besser gefördert werden. Denn selbst wenn Lehr- linge mit Behinderungen eingestellt würden, fehle es oft an der adäquaten Unterstützung bzw. an geeigneten Materialien und auch an qualifizierten Lehrpersonen.
Von den Erfahrungen im Parlament zeigten sich praktisch alle Lehrlinge angetan. Viele, wie etwa Miloš Aničić, hoffen allerdings darauf, „dass das echte Parlament ihre Forderungen aufgreife“.
Vom KURIER darauf angesprochen, meinte Doris Bures, die weitere jährliche Lehrlingsparlamente zusicherte, dass sie die Ergebnisse der Beratungen der Jugendlichen den echten Abgeordneten noch einmal ans Herz legen wolle.