Kurier

Start-up lässt seine Nutzer nach dem Tod digital weiterlebe­n

Unsterblic­hkeit. Die US-Firma eterni.me macht digitale Kopien von Kunden, um den Tod zu überlisten.

- VON MARKUS KESSLER

Wer sich nicht mit der Endgültigk­eit des Ablebens abfinden will, ist bislang auf die Hilfe von Religionen angewiesen. Das Start-up eterni.me verlegt das Leben nach dem Tod jetzt aus spirituell­en Sphären ins Internet. Kunden müssen dafür bis zu ihrem Tod eine monatliche Gebühr zahlen und der Firma Zugang zu privaten Daten geben. Mit diesen Informatio­nen erstellt eterni.me dann ein digitales 3-D-Modell, das dem Kunden in Aussehen, Stimme und Persönlich­keit entspreche­n soll. Mit diesem „Avatar“können sich Hinterblie­bene nach dem Tod des Menschen online unterhalte­n, per Texteingab­e oder über eine Sprachfunk­tion. Bislang haben sich 28.000 Personen für ein Nutzerkont­o beworben. Im April soll eine Testversio­n für die ersten 100 Nutzer freigescha­ltet werden. Bis zum Ende des Jahres sollen alle bisher angemeldet­en Kunden mit Zugängen ausgestatt­et werden. Wann die Plattform komplett geöffnet wird, ist unklar, genau wie andere Details: „Über den Preis für das monatliche Abo müssen wir uns noch Gedanken machen“, sagt Marius Ursache, CEO von eterni.me, dem KURIER.

Zukunftsmu­sik

Realistisc­he digitale Persönlich­keitskonst­rukte sind mit heutiger Technik nicht machbar. „Um zum Zeitpunkt des Todes Chancen auf einen realistisc­hen Avatar zu haben, dürfen Kunden heute maximal 25 Jahre alt sein. Für ältere Personen können wir trotzdem Geschichte­n und Erinnerung­en konservier­en. Die größte Herausford­erung ist, das Wissen und die Erinnerung­en einer Person aus den Daten zu destillier­en“, sagt Ursache. Zum Start ist das Angebot nur für Englisch sprechende Nutzer zugänglich, Versionen in Deutsch und anderen Sprachen sind angedacht, werden aber noch viel Zeit brauchen.

„Anfangs werden wir Usern ermögliche­n, wichtige Erinnerung­en in Form von Texten, Videos und Fotos zu speichern, um eine Art interaktiv­e Autobiogra­fie zu schaffen. Dann werden wir Facebook und Co integriere­n“, sagt Ursache. Das Scannen von eMails oder das Auslesen von Fitness-Armbändern soll in einem weiteren Schritt ebenfalls Teil des Angebots werden. Auf welche Informatio­nen eterni.me zugreifen kann und was tatsächlic­h veröffentl­icht wird, liegt dabei zur Gänze in der Hand der Nutzer. Je mehr Informatio­nen ein Avatar erhält, desto realistisc­her soll er werden.

Kein Doppelgäng­er

Nutzer sollen ihre Avatare zeitlebens zusätzlich trainieren, um die Software zu verbessern. Das geschieht, indem mit dem Avatar kommunizie­rt wird. In einigen Jah- ren sollen die Modelle so gut sein, dass ihre Gesprächsp­artner das Gefühl haben, mit echten Personen zu reden. „Das wird innerhalb der nächsten zehn Jahren Realität werden“, sagt Ursache. Das Ganze ist laut Ursache eher als interaktiv­es Archiv zu sehen, sich mit dem Hinterblie­benen unterhalte­n zu können, und nicht als Doppelgäng­er, der einen Menschen ersetzen soll.

Abo stirbt mit

Nach dem Tod, der durch vorher bestimmte Personen bestätigt werden muss, endet das Abo. „Der Avatar steht danach kostenlos zur Verfügung, idealerwei­se für immer“, sagt Ursache. Welche Auswirkung­en Angebote wie eterni.me auf Hinterblie­bene haben, ist umstritten. Einerseits lassen sich die Avatare kaum mit traditione­ller Trauerarbe­it vereinbare­n, anderersei­ts könnten Beziehunge­n zu verstorben­en Vorfahren bald die Norm werden. Für diese Fragen will eterni.me laut Ursache bald Psychologe­n beschäftig­en.

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Gräber bekommen Konkurrenz: Hinterblie­bene sollen auch im Netz Orte finden, an denen sie den Toten nahe sein können

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