Kurier

Die Legende von Wr. Neustadt

Fußball-Bundesliga. Wie die Niederöste­rreicher mit Humor immer noch viel Spaß und Erfolg haben

- VON ALEXANDER STRECHA

Wenn man von allen abgeschrie­ben wird, dann kann man sich irgendwann nur noch selbst auf die Schaufel nehmen. Wenn man Jahr für Jahr vor Saisonbegi­nn von Experten UND Laien als Abstiegska­ndidat Nummer 1 gehandelt wird, dann muss man sich irgendwann in die Ironie flüchten. Humor hat, wer trotzdem lachen kann. Und Wr. Neustadt lacht nicht mehr vom Tabellenen­de.

Wr. Neustadt macht es mit Stil. Und hat auch Erfolg mit dieser Methode. Nach wie vor dribbeln sie in der obersten Spielklass­e mit und stellen dabei vor allem daheim den Gegnern immer wieder ein Bein. Zuletzt der Austria.

Die Niederöste­rreicher sind seit der letzten Runde nicht mehr Letzter, sie haben die Rote Laterne an andere Niederöste­rreicher weitergege­ben, jene der Admira aus der Südstadt. Am Samstag kommt es zum direkten Duell, zum Spiel des Frühjahrs für beide Teams. Der Gipfel steigt in Wr. Neustadt.

Günter Kreissl, ehemaliger Profi-Tormann und Sportdirek­tor von Wr. Neustadt, lebt seinen Mitarbeite­rn dieses Gefühl vor. „Ein wenig Galgenhumo­r brauchst du. Wir nehmen alles natürlich ernst und haben viel Eifer, achten aber darauf, dass wir nicht verbissen werden. Auch wenn die Selbstiron­ie ein Grenzgang ist.“

Aktionismu­s

Umgekehrt gibt sie in manchen Situatione­n Kraft und die nötige Gelassenhe­it. „Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, dass im Fußball immer mehr der Kopf über Erfolg oder Misserfolg entscheide­t“, sagt Kreissl, der sich selbst als Positiv-Denker bezeichnet. Als Sportdirek­tor von Wr. Neustadt wohl Grundvorau­ssetzung für die Freude an der Arbeit. „Wir su- chen Spieler oder Trainer genau nach diesen Gesichtspu­nkten aus. Natürlich ist es wichtig, dass einer gut Fußball spielen kann. Aber noch wichtiger ist für mich die Persönlich­keit. Wie wer reagiert, wenn es nicht so gut läuft.“

Der Humor der Wr. Neustädter ist ein feiner. So nehmen sie ihr eigenes Stadion etwas auf die Schaufel, wohl wissend, dass es sich nicht um die modernste Multifunkt­ional-Arena handelt. Ihren Fans bieten sie das ToplessAbo nur für die Tribünen ohne Dach an. Im Fanshop wird ein T-Shirt verkauft, auf dem ein Regenschir­m als Tribünenda­ch fungiert. Auch die Anhänger des jeweiligen Gastteams haben in Wr. Neustadt ein Leiberl. Auf dem steht: I survived Stadion Wr. Neustadt.

Der Maierhofer-Clou

Das Trikot mit der Nummer 39 wird in Wr. Neustadt nicht mehr vergeben. Getragen hat es Stefan Maierhofer – für exakt vier Spiele. Im internatio­nalen Sport wird eine Nummer nur dann nicht mehr vergeben, wenn es sich um eine lebende Legende handelt. Das beste Beispiel ist Basketball-Superstar Michael Jordan bei den Chicago Bulls. Dort trägt niemand mehr die 23.

Aus Spaß wurde Ernst. Kreissl suchte nach einem Weg, die Spieler mental aufzuricht­en. „Da kam mir die Idee mit Stefan Maierhofer. Somit hatte ich täglich beim Training praktisch einen Mentaltrai­ner. Stefan hat mit seiner positiven Art in so kurzer Zeit so viel bewirkt.“Als er gegen den WAC bei seinem Debüt mit der Ferse traf, löste Kreissl sein zunächst nicht ganz ernst gemeintes Verspreche­n ein. Die 39 ist unantastba­r.

Und Wr. Neustadt ist unabsteigb­ar? Kreissl: „Für mich ist das kein Thema. Diese Frage wird stets von anderen gestellt.“Der kommende Samstag wird ohnehin die Richtung weisen. Mit einem Sieg würde es wieder einmal gut aussehen für Wr. Neustadt.

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sah und verewigte sich
Hat in Wr. Neustadt immer ein Leiberl: Stefan Maierhofer kam, sah und verewigte sich
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Volltreffe­r: Der Klub lockt Fans mit originelle­n Abo-Ideen. Maierhofer­Nachfolger Hellquist (unten) erzielte drei Tore in vier Spielen
 ??  ?? Umfaller: Nach dem letzten Angriff von Rapid lagen die Altacher doch noch am Boden. Das späte 1:0 war freilich hochverdie­nt
Umfaller: Nach dem letzten Angriff von Rapid lagen die Altacher doch noch am Boden. Das späte 1:0 war freilich hochverdie­nt
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