Leichter fahren mit Ideen aus Linz
Innovation. Wie der Druck, Autos leichter und sauberer zu machen, das Geschäft von Borealis beflügelt
Leichtbau und Abgasreduktion zählen zu den Entwicklungsschwerpunkten der Autohersteller.
Der in Österreich beheimatete Konzern Borealis (siehe Zusatzartikel unten sowie Motor-KURIER 27.11. 2014) sieht sich als Materiallieferant dafür sehr gut gerüstet. Borealis bietet nicht die prestigeträchtige Kohlefaser an, zeigt aber, dass auch das viel billigere Polypropylen und Polyethylen großes Potenzial zur Gewichtseinsparung haben und dank immer besserer Eigenschaften und Ästhetik auch für neue Anwendungen wie Armaturenbrett für Luxushersteller interessant werden. Zudem ist gerade bei E- und Hybridautos der Bedarf an Gewichtsreduktion groß, um das Zusatzgewicht durch die schweren Batterien zu senken.
Selbst indirekt trägt Borealis zur Attraktivierung von E-Mobilität bei. Umweltpolitisch macht diese ja nur Sinn, wenn der Strom oder der Wasserstoff „sauber“sind und nicht von Kohlekraftwerken kommen oder aus Erdgas hergestellt werden. Borealis ist es mit ABB gelungen, ein neues Gleichstromkabel zur Übertragung hoher Strommengen, die etwa bei großen Windkraftanlagen im Meer anfallen, zu entwickeln, das 525 kV schafft – ein Weltrekord, so Borealis-Vorstand Alfred Stern. Der bisherige Standard liege bei 340 kV. Vorteil des neuen Kabels: Damit lässt sich mit dem gleichen Kabelquerschnitt um 160 % mehr Strom transportieren. Über die Kosten wollte Borealis beim Rundgang durch das große Innovationszentrum in Linz aber nichts verraten.
Das Zentrum wurde 2009 errichtet. Leiter des Zentrums ist Jochen Berrens, Vice-President für Innovation und Technologie Maurits van Tol. Neben dem Forschungs- und Entwicklungszentrum in Linz betreibt Borealis drei kleinere Zentren in Schweden, Finnland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Der große Vorteil des Innovationszentrums in Linz: Obwohl Borealis nur Ausgangsmaterialien für diverse Anwendungen herstellt, können hier zusammen mit den späteren Anwendern (etwa Autozulieferer und -hersteller) neue Eigenschaften und Einsätze „in Echt“durchexerziert und getestet werden. Hier gelang es den Forschern etwa auch, die gefürchteten „Tigerstreifen“bei Kunststoff-Stoßfängern wegzukriegen, was den Qualitätseindruck stark erhöht.
Ein anderer wichtiger Durchbruch gelang beim Lackieren von Kunststoff. Polypropylen erforderte bis vor Kurzem aufgrund seiner Oberflächenspannung eine entsprechende Grundierung des zu lackierenden Bauteils. Borealis in Linz schaffte es, diese Grundierung durch entsprechende Vorbehandlung des Kunststoffteils entfallen zu lassen, womit sich die Zahl der Lackschichten von drei auf zwei reduziert (Einsatz: BMW i8). Das spart nicht nur Kosten, sondern auch Gewicht und Zeit. Viel Hoffnung ruht auch im in Linz verbesserten langglasfaserstärkten Kunststoff, mit dem deutlich f lexibler gestaltbare Module erzeugt werden können, ohne dass, wie bisher gefürchtet, die Glasfasern im Material brechen. Eingesetzt werden BorealisKunststoffmaterialien etwa für Instrumententafeln bei Jaguar (F-Type), Citroën (Cactus), Nissan (Qashqai), VW (Golf Sportsvan).
Wenig bekannt ist bisher, dass Borealis in Zentraleuropa mit 20 % Marktanteil zu den größten Herstellern von Adblue zählt. Das ist der Harnstoff, der für das katalytische Entstickungssystem SCR nötig ist. Damit sind bereits seit Jahren Lkw ausgestattet, mit Euro 6 wird SCR auch in schweren Pkw, aber auch in Traktoren, Diesel-Lokomotiven und Schiffen zunehmen.
– Gewichtseinsparung
– Saubere Energie
– Innovation
– Abgasreinigung