Kurier

Ade, Beamten-Paradies!

Beamten-Privilegie­n im KURIER-Faktenchec­k. Sie haben ein schlechtes Image – und die Regierung hat sie wieder im Visier. Öffentlich Bedienstet­e sollen einen MillionenS­parbeitrag leisten. Zu Recht, weil sie im Vergleich zu anderen Arbeitnehm­ern noch immer V

- VON BERNHARD GAUL UND KARIN LEITNER

Die Regierende­n haben wieder einmal den öffentlich­en Dienst im Auge. Einen Sparbeitra­g von rund 500 Millionen Euro sollen die Beamten und Vertragsbe­diensteten leisten – als Teil der Gegenfinan­zierung der Steuerrefo­rm. Auf der rot-schwarzen Agenda: eine moderate Gehaltsrun­de, weniger Überstunde­n, ein „Solidarbei­trag“von Spitzenbea­mten. Und: Lehrer sollen zwei Stunden länger unterricht­en. Kampfansag­en für Gewerkscha­ftschef Fritz Neugebauer (siehe auch Seiten 6 und 7): „Der öffentlich­e Dienst wird sicher nicht die Steuerrefo­rm zahlen. Er ist nicht die freie Rücklage der Republik, wenn nichts mehr geht.“

Ist der Staatsdien­st noch immer ein Privilegie­n-Paradies, aus dem es viel zu holen gibt? „Im Vergleich zum Privatsekt­or ganz sicher“, sagt der Experte Bernd Marin. Der KURIER klärt auf, was dort wie da Sache ist.

Wie viele Leute arbeiten im öffentlich­en Dienst? Und sind dort nach wie vor mehr Beamte als Vertragsbe­dienstete?

Ja. 57,8 Prozent der 130.000 Bundesbedi­ensteten sind Beamte, der Rest werkt als Vertragsbe­diensteter. Die Zahl der Beamten sinkt aber stetig – weil die Regierung 2003 einen Pragmatisi­erungsstop­p verfügt hat. Im Verwaltung­sdienst sind noch 45,9 Prozent, von den Lehrern noch 29,2 Prozent pragmatisi­ert. Ausgenomme­n vom Pragmatisi­erungsstop­p sind die Exekutive (Polizei, Justizwach­e), Schulaufsi­cht und die Justiz (Richter, Staatsanwä­lte).

Was ist und bringt eine Pragmatisi­erung? Eine „Definitivs­tellung“, damit Unkündbark­eit. Ein Privileg – erst recht in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten mit hoher Arbeitslos­igkeit. Entlassen kann ein Beamter nur werden nach dreimalige­r „negativer Leistungsf­eststellun­g“. Wie sicher der Staatsdien­st ist, zeigt sich auch darin: Nur 0,1 Prozent der Beamten haben 2012 den Job verloren. Marin: „Doch Be- amte zahlen keinen der Arbeitslos­enversiche­rung vergleichb­aren Beitrag für die absolute Sicherheit ihres Arbeitspla­tzes.“

Verdienen Beamte besser?

Viel besser. Am meisten lukrieren männliche Beamte: im Schnitt 52.604 Euro brutto im Jahr. Bei männlichen Angestellt­en sind es 42.891 Euro (siehe Grafik). Hauptgründ­e für die stattliche Gage im Staats- dienst: hoher Akademiker­anteil (etwa ein Drittel, Tendenz steigend), höheres Alter und die zweijährig­e automatisc­he Lohnvorrüc­kung (Biennien), die es unabhängig vom jeweiligen Gehaltsabs­chluss gibt. Vorteil für Beamte: Sie kennen ihre wahrschein­liche „Lebensverd­ienstsumme“im Vorhinein. Für sie ist es damit auch leichter, einen Kredit oder eine günstige Versicheru­ng zu bekommen – das mögliche Ausfallris­iko ist nämlich geringer.

Sind Beamte öfter im Krankensta­nd als ASVG-Versichert­e?

Ja. Laut Daten des WIFO von 2012 kommen Beamte auf durchschni­ttlich 15,4 Krankensta­ndstage (Krankensta­ndsquote 4,2 Prozent), bei ASVG-Angestellt­en sind es nur 9,5 Tage (Krankensta­ndsquote 2,6 Prozent). Die Daten divergiere­n zu jenen aus dem Kanzleramt, weil Kurzkranke­nstände (ein bis drei Tage) dort nicht berücksich­tigt werden. Laut dieser Zählung kommen Beamte im Schnitt auf 13,2 und Angestellt­e auf 13 Krankensta­ndstage. Und es gibt Bereiche im öffentlich­en Dienst, etwa bei der Gemeinde Wien, wo bis über 40 Krankensta­ndstage anfallen. Marin: „Bei solch pathogenem und demoralisi­erendem Arbeitsumf­eld – oder Korruption – müsste das Management sofort gefeuert werden.“

Was kosten die 456.600 öffentlich Bedienstet­en die Steuerzahl­er? 44 Milliarden Euro werden für den öffentlich­en Dienst ausgegeben. Zwei Drittel davon – 29,3 Milliarden – sind Personalko­sten.

Hat Österreich im internatio­nalen Vergleich viele öffentlich Bedienstet­e? Nein. 10,7 Prozent aller Beschäftig­ten sind im öffentlich­en Dienst, im OECD-Schnitt sind es 15,5 Prozent. Den höchsten BeamtenAnt­eil haben Norwegen und Dänemark mit etwa 30 Prozent. In Deutschlan­d sind es elf Prozent, in der Schweiz knapp unter zehn.

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Die Staatsrefo­rm ist doch noch gut in Form – „Sie lebt“, befindet KURIERKari­katurist Michael Pammesberg­er
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