Kurier

Doping & Fußball: Ein Ex-Teamkicker erzählt

Werner Kriess. Der ehemalige Teamkapitä­n erzählt, wie in den 1970er-Jahren im Fußball gedopt wurde

- VON CHRISTOPH GEILER

Der Innsbruck-Spieler Werner Kriess über die Praktiken in den 70er- und 80er-Jahren

Die Aufregung war riesig, als eine Untersuchu­ngskommiss­ion zum Ergebnis kam, dass in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren beim VfB Stuttgart und beim SC Freiburg „in unterschie­dlichem Rahmen“gedopt wurde. Der ehemalige österreich­ische Nationalte­amkapitän Werner Kriess berichtet, dass in dieser Zeit auch im österreich­ischen Fußball verbotene Mittel zum Einsatz kamen.

KURIER: Verstehen Sie die Aufregung in Deutschlan­d? Werner Kriess:

Das ist jetzt natürlich geheuchelt. Weil jeder weiß, dass immer schon gedopt wurde, oder, sagen wir vielleicht besser: experiment­iert. Toni Schumacher ( ehemaliger deutscher Teamtorman­n) hat ein Buch geschriebe­n und darin berichtet, was zu seiner Zeit alles gemacht wurde. Wobei man schon sagen muss: Was zu meiner Zeit Doping war, das ist aus heutiger Sicht ja lächerlich.

Haben Sie selbst denn jemals etwas Verbotenes genommen?

Wir haben damals in Innsbruck vor allem CaptagonTa­bletten verwendet. Es hat noch ein zweites Mittel gegeben, das die Zuhälter genommen haben, damit sie in der Nacht munter bleiben. Da fällt mir aber der Name nicht mehr ein. Es war jedenfalls nicht der große Hammer.

Welche Wirkung hatte denn Captagon?

Das hat aufgeputsc­ht, du warst dann halt richtig überdreht und ewig munter, und hast die ganze Nacht nicht geschlafen. Anderersei­ts: Wegen dem ganzen Adrenalin schläfst du als Fußballer nach Partien sowieso nie gut. Insofern weiß ich nicht, ob das wirklich etwas genützt hat. Haben Sie und Ihre Teamkolleg­en denn bewusst zu Dopingmitt­eln gegriffen?

Ja, das wurde schon ganz gezielt eingesetzt. Auch in der Hoffnung, dass wir auf dem Spielfeld aufmerksam­er sind. Aber wir haben das nicht vor jedem Match genommen, sondern hauptsächl­ich vor Europacups­pielen und vor den richtig schwierige­n und entscheide­nden Partien in der Liga. Es haben auch nicht alle etwas genommen, es gab Spieler, die haben vor dem Match lieber zwei Gläser Cognac getrunken.

Wie sind die Spieler überhaupt zu Captagon gekommen? Über den Mannschaft­sarzt?

Unsere Ärzte und Trainer haben davon nichts gewusst. Captagon war damals ein rezeptpfli­chtiges Medikament, aber das war natürlich für uns kein Problem, es zu kriegen. Das hat auch nichts gekostet, und irgendein Spieler hat immer zwei, drei Packerln besorgt, und vor dem Spiel gab es dann die Tabletten.

Waren Ihnen klar, dass Sie da etwas Verbotenes machen?

Legal war es sicher nicht. Das war uns schon allen klar, dass das eigentlich nicht erlaubt war. Anderersei­ts ...

... anderersei­ts?

Anderersei­ts hat’s damals auch noch keine richtigen Dopingkont­rollen gegeben. Die Schwerathl­eten ha- ben zu meiner Zeit geschluckt wie die Narren. Die Biathleten haben Tranquiliz­er verwendet, um beim Schießen ruhig zu bleiben. Wir haben auch mit Vitamincoc­ktails herumprobi­ert.

Hatten Sie keine Angst, ertappt zu werden, oder vor Spätfolgen?

Als Aktiver denkst du ja keine Sekunde an mögliche Spätfolgen. Klar hätte man das Mittel wahrschein­lich im Blut nachweisen können. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals kontrollie­rt worden wäre, obwohl es geheißen hat, dass sie Stichprobe­n machen. Was war eigentlich der Grund, wieso überhaupt gedopt wurde?

Es hat geheißen: ,Wir nehmen das jetzt, weil es die anderen auch nehmen. Weil so blöd sind wir ja nicht, dass wir das nicht auch könnten.‘ Wir waren in Innsbruck ja nicht die einzigen. Es ist zwar nicht viel darüber geredet worden, aber alle haben gewusst, was los ist. Es ist schon anzunehmen, dass diese Sachen ziemlich flächendec­kend genommen wurden. Wobei ich heute sage, dass es nicht wirklich etwas gebracht hat. Das war mehr Placebo und alles andere als profession­elles Doping, wir hätten unsere Erfolge auch ohne diese Mittel gefeiert. Haben denn die Gegner jemals argwöhnisc­h reagiert?

Ich kann mich erinnern, dass sich ein Rapid-Spieler, ein berüchtigt­es Raubein, noch berüchtigt­er als ich, einmal beim Schiedsric­hter beklagt hat. Der hat gesagt: ,Schau dem einmal in die Augen, der ist doch bis oben hin zu, der ist sicher gedopt.‘

Haben Sie auch einmal negative Erfahrunge­n gemacht?

Vor einem Europacups­piel in Basel haben wir neue Tabletten ausprobier­t. Keine Ahnung, wer die damals daher gebracht hat, aber jedenfalls hat es geheißen: ,Die sind eine echte Sensation.‘

Und waren sie dann wirklich so sensatione­ll?

Beim Aufwärmen im Stadion habe ich schon gekotzt. Daran sieht man schon, dass es bei uns damals äußerst dilettanti­sch zugegangen ist.

 ??  ?? Legendär: Werner Kriess war ein Star im Team von Wacker Innsbruck, das in den 70er-Jahren den österreich­ischen Fußball dominierte
Legendär: Werner Kriess war ein Star im Team von Wacker Innsbruck, das in den 70er-Jahren den österreich­ischen Fußball dominierte

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