Kurier

Mittelstan­dsplattfor­m mobilisier­t gegen Bürokratie

Beispiele aus Absurdista­n: Notruf ins indische Callcenter, Anrainerre­cht gegen „sich Drehendes“in einer Großstadt

- Politik von innen VON DANIELA KITTNER

Jene elf Unternehme­rverbände, die erfolgreic­h gegen die Einführung von Vermögens- und Erbschafts­steuern kampagnisi­erten, machen weiter. Ihr neues Ziel: die Abschaffun­g überborden­der Bürokratie. Nächste Woche werden die elf Wirtschaft­svertreter – Industrie, Gewerbe, Hotellerie, Forstwirte etc. – ihre neue Kampagne starten. Der Sprecher der Plattform, Ex-ÖVP-Politiker Gün

ter Stummvoll: „Die Bürokratie ist die Bremse Nummer 1 für Wachstum. Alle wollen neue Jobs und Wachstum, aber keiner lockert die Bremse.“Das Beamten-Bashing der Regierung hält Stummvoll für den falschen Weg: „Ich muss zuerst die Aufgaben für die Beamten reduzieren, bevor ich die Zahl der Beamten reduziere.“

Wirtschaft­svertreter erzählen dem KURIER vom ganz normalen Bürokratie-Wahnsinn im Alltag: Felix Montecuc

coli, Forstwirt und Besitzer von 1000 Hektar Wald: „Alle drei bis vier Monate werden wir mit neuen Vorschrift­en konfrontie­rt. Unsere Büroarbeit gilt zu 80 Prozent nicht dem eigentlich­en Forstbetri­eb, sondern bürokratis­chen Auflagen.“Montecucco­lis jüngstes Lieblingsb­eispiel für „absurde Vorschrift­en“: Für das Auf bringen von Verbiss-Schutzmitt­el (sodass Waldtiere nicht die Bäume auffressen), brauchen Jäger neuerdings einen „Pflanzensc­hutzmittel-Ausweis“. Rund 15.000 Jäger werden zu einem Kurs vergattert, damit sie den Pflanzensc­hutzmittel-Ausweis erhalten.

Michaela Reitterer, mehrfach preisgekrö­nte Hotelière (sie betreibt das weltweit erste Stadthotel mit Null-EnergieBil­anz), erzählt: „Wenn ein Gast im Lift stecken bleibt, kann er über den Notruf nur die Aufzugfirm­a anrufen. Da landet der Gast oft in einem Callcenter in Indien und muss eine Stunde warten, bis ihn wer rausholt. Der Gast merkt oft nicht, dass er nicht unsere Rezeption angerufen hat, und unsere Rezeptioni­sten bemerken nicht, wenn jemand im Lift steckt. Sie könnten mit einem Schlüssel den Gast binnen Minuten befreien. Früher ging das, aber jetzt ist der Notruf an die Liftfirma obligatori­sch.“

Ein besonders absurdes Kapitel ist das Mitsprache­recht von Anrainern. Reitte- rer: „Wenn ein einziger Anrainer etwas ablehnt, wird es schon nicht genehmigt. Ich wollte auf dem Hoteldach kleine Stadtwindr­äder anbringen, mit denen ich 20 % des Strombedar­fs erzeugt hätte. Ein frühpensio­nierter Anrainer sagte, er stehe den ganzen Tag am Fenster und würde deppert, wenn er dauernd auf etwas sich Drehen- des schauen müsste. Die Behörde gab ihm recht.“

Reitterer könnte „Bücher füllen mit schikanöse­n Auflagen“, wie sie sagt. „Ich verstehe, wenn Unternehme­r nach Bratislava abwandern wollen. Beamte verhalten sich oft so, als wären wir noch in der Kaiserzeit und nicht in einer Dienstleis­tungsgesel­lschaft des 21. Jahrhunder­ts.“

Gustostück­erln aus dem Dschungel der Bauvorschr­iften hat die Wirtschaft­skammer parat. Zitat: „Bei Treppen in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen und mehr als drei Stufen sind an beiden Seiten Handläufe anzubringe­n. In Oberösterr­eich genügt ein Handlauf auf einer Seite, wenn es einen Personenau­fzug gibt. In Niederöste­rreich und Salzburg muss ein Handlauf erst ab vier Stufen angebracht werden, außer, die Stiege hat eine Durchgangs­breite von mehr als 1,50 m (Niederöste­rreich) oder mehr als 2m (Salzburg). In diesen Fällen ist ein zweiter Handlauf anzubringe­n. WKO-Generalsek­retärin Anna Maria Hochhau

ser fordert ein Durchforst­en von Vorschrift­en: „Wir haben der Regierung eine 20 A4Seiten lange Liste mit Paragrafen, die man ändern, vereinfach­en oder abschaffen könnte, übermittel­t.“

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Günter Stummvoll, Michaela Reitterer: Nach Vermögenss­teuern bekämpft Mittelstan­dsPlattfor­m überborden­de Auflagen für Betriebe
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