Vertreibung aus dem Paradies
Mit welchem Alter wechseln Österreichs Beamte derzeit in den Ruhestand? Bundesbeamte traten 2014 im Schnitt mit 60,9 Jahren in den Ruhestand. ASVG-Versicherte gingen mit 59,6 Jahren. Das tatsächliche Antrittsalter ist für Beamte (Männer und Frauen) 65. Bei ASVG-Versicherten 60 (Frauen) und 65 (Männer). Fast drei Viertel der Pflichtschullehrer sind zwischen 2008 und 2013 in Frühpension gegangen; am exzessivsten im Burgenland: 85 Prozent der Pädagogen haben sich mit der „Hacklerregelung“in die Rente verabschiedet. Generell gehen Polizisten am frühesten in Pension – wegen der körperlichen Belastung durch den Job, wie es in einem aktuellen Bericht des Rechnungshofes heißt: fast 60 Prozent tun das, 39 Prozent wegen Dienstunfähigkeit. Richter und Staatsanwälte haben das höchste Pensionsantrittsalter aller Bundesbediensteten. Zwei Drittel sagen erst mit 65 Jahren Adieu.
Gelten für frühpensionierte Beamte und ASVG-Versicherte dieselben Regeln? Nein. Beamte werden bevorzugt: Auch wenn sie in Frühpension gehen, dürfen sie unbegrenzt dazuverdienen. Anderen Frührentnern ist das untersagt; sie dürfen das erst, wenn sie das reguläre Pensionsalter erreicht haben („Ruhensbestimmungen“). Und jetzt plant die Regierung Pensionskürzungen sogar für die wenigen Pensionisten, die in der Regelpension weiter arbeiten.
Bekommen öffentlich Bedienstete eine höhere Pension als ASVGler? Ja. Der Medianwert ( jeweils die Hälfte bekommt mehr beziehungsweise weniger) beträgt für männliche Beamte 2343 Euro pro Monat, bei weiblichen Beamten 2378 Euro. Bei ASVG-Pensionisten liegt der Wert bei 1433 Euro (Männer) und 811 Euro für Frauen. (Die ASVG-Höchstpension von 3000 Euro brutto kassieren in Österreich nur knapp 20.000 Menschen.) Am unteren Ende sind Mindestrentner, die – sofern sie eine Ausgleichszulage erhalten – auf nur 837 Euro pro Monat kommen – oder Hunderttausende Frauen, die gar keinen eigenen Pensionsanspruch haben. „Beamte haben zu Recht höhere Pensionen wegen höherer Aktivbezüge und fehlender Höchstbeitragsgrundlage. Sie bekommen aber darüber hinaus zu Unrecht auch um rund 50 Prozent höhere Leistungen für die gleichen Beiträge – und der Zuschussbedarf pro ,Ruhegenuss‘ war bereits 2011 mit 16.300 Euro jährlich mehr als vier Mal so hoch wie in der Pensionsversicherung mit 3936 Euro“, so Marin.
Hat die Beamtenschaft jetzt noch immer ein anderes Pensionsrecht? Für Beamte, die vor 1955 geboren sind, gilt das alte Pensionsrecht: Sie können mit 80 Prozent des Letztbezugs in den Ruhestand treten. Nach einer Reihe von Reformen soll es künftig auch für Beamte und Vertragsbedienstete ein Pensionskonto geben. Marin beklagt „den langen Übergang in das neue System. Bei ASVG-Versicherten ging dieser von 2004 bis 2009, bei den Beamten ist es erst 2028, in Wien erst 2042 so weit. Andere Länder haben 6 bis 15 Jahre Umstieg“. Und: Beamten werde nach zehn Jahren so viel Kontoerstgutschrift angerechnet wie Angestellten nach über 28 Jahren. Paradiesisch hätten es viele Landesbeamte nach wie vor, etwa in Kärnten, „unserem Griechenland: Dort hat ein Akademiker noch um eine halbe Million Euro mehr Pension als ein Akademiker im Bund.“
Sind öffentliche Bedienstete und die übrigen Berufsgruppen zumindest à la longue pensionsrechtlich gleichgestellt?
„Nein“, sagt Marin. „Durch die Hintertür gibt es das nächste Privileg für Vertragsbedienstete.“Welches? „Es ist über Pensionskassen eine Art Firmenpension für Staats- oder Gemeindediener (sowie Kammer- und SV-Bedienstete usw.) auf Kosten der Steuerzahler geschaffen worden. Da setzen sich sachlich ungerechtfertigte Sonderrechte unvermindert fort.“
Waren Beamte seit jeher privilegiert?
„Nein, bis zur Kreisky-Ära gab es viele Nachteile für öffentlich Bedienstete“, sagt Marin. „Einer roten Regierung ist es gelungen, eine schwarze Beamtenschaft durch enorme Einkommensverbesserungen zu gewinnen.“