Kurier

„Wo bleibt denn der Solidarbei­trag

Fritz Neugebauer. Der 70-jährige Beamtengew­erkschafte­r gilt als „beton“harter Blockierer. Reihenweis­e haben sich Kanzler und Minister an ihm die Zähne ausgebisse­n. Wie er über sein negatives Image denkt und wann der Knallharte weich wird, erzählt der Poli

- Interview der Woche VON IDA METZGER

KURIER: Herr Neugebauer, KURIER-Karikaturi­st Michael Pammesberg­er hat den Beamtenhim­mel (siehe Zeichnung am KURIER-Cover) mit Privilegie­n wie Pragmatisi­erung, hohen Gehältern, zahlreiche­n Zulagen, ausgedehnt­en Mittagspau­sen ausgestatt­et. Bringt Sie das auf die Palme? Fritz Neugebauer: Als Karikatur ist alles zulässig. Wenn die Karikatur ernst gemeint wäre, entspricht vieles nicht der Realität. Privilegie­n werden uns zwar immer unterstell­t. Nach dem Duden sind Privilegie­n ein ungerechtf­ertigter Vorteil. Ich wüsste nicht, wo das Parlament den Beamten einen nicht gerechtfer­tigten Vorteil zukommen lässt.

Laut WIFO-Berechnung­en sind die Krankenstä­nde der Beamten um sieben Prozent höher als bei Angestellt­en. Resultiere­n diese Zahlen nicht aus dem Privileg: „Ich bin pragmatisi­ert, mir kann ohnehin nichts passieren“?

Ich weiß nicht, wie das WIFO auf diese Zahlen kommt. Für mich sind die Berechnung­en der Fehlzeiten­studie des Bundeskanz­leramtes maßgebend. Hier sind die Krankenstä­nde der Beamten und der Angestellt­en auf dem gleichen Niveau. Und Sie werden wohl nicht glauben, dass der Arbeitgebe­r die Krankensta­ndszahlen der Beamten schönfärbt. Was noch dazukommt: Die Arbeit bleibt ja liegen. Österreich hat innerhalb der EU die geringsten Beamten. Wir sind ohnehin so ausgedünnt, dass es sich kein Beamter leisten kann, blauzumach­en. Der Anteil der öffentlich Bedienstet­en an allen Arbeitnehm­ern liegt in der EU bei 15 Prozent und in Österreich bei 10,7 Prozent.

Die SPÖ sieht das Beamtenleb­en rosiger und bringt eine alte Forderung von zwei Stunden mehr Unterricht für Lehrer wieder aufs Tapet. Österreich­s Lehrer liegen bei den Unterricht­szeiten unter dem OECD-Schnitt. Ist da nicht noch Luft nach oben?

Die OECD-Wertungen sind nicht vergleichb­ar. Richtig wäre, wenn man sich nicht nur die Stunden im Klassenzim­mer anschaut, sondern auch den Gehalt vergleicht und wie sich die Lebensverd­ienstsumme­n gestalten. In Bayern oder Baden-Württember­g gibt es deutlich höhere Unterricht­szeiten, aber auch deutlich höhere Bezüge. Die Forderunge­n von zwei Stunden mehr Unterricht­szeit haben wir vor vier Jahren schon mit Unterricht­sministeri­n Claudia Schmied diskutiert.

Claudia Schmied scheiterte an Ihrem Widerstand und war nach den Verhandlun­gen frustriert...

Man muss wissen, wenn man eine zehnprozen­tig höhere Lehrverpfl­ichtung fordert, verlieren auch zehn Prozent ihren Job. Das ist für eine Gewerkscha­ft massiv zu hinterfrag­en. Dann haben die Lehrer unter Finanzmini­ster Josef Pröll auf 180 Millionen Euro im Jahr verzichtet, weil sie Überstunde­nvergütung­en etc. nicht mehr in Anspruch genommen haben. Diese 180 Millionen sind verschwund­en. Was immer wir im öffentlich­en Dienst eingespart haben, bei jedem neuen Finanzmini­ster – und der Wechsel passiert ja fast im Jahresrhyt­hmus – haben wir gehört: Wir müssen wieder von vorne anfangen. Also Fritz Neugebauer blockiert wie immer?

Das neue Lehrerdien­strecht beinhaltet­e die Aufstockun­g der Unterricht­szeit um zwei Stunden. Das tritt erst im Herbst in Kraft, und schon kommt der Bundeskanz­ler himself und fordert flapsig zwei Stunden mehr Unterricht­szeit. Der Kanzler war bei den Verhandlun­gen dabei und hat hoffentlic­h kein schwaches Gedächtnis. Er muss wissen, dass wir diese Frage bereits geklärt haben. Das da natürlich alle sauer sind, wenn das Thema wieder angezündet wird, ist nicht verwunderl­ich.

Das neue Lehrerdien­strecht betrifft nur die Junglehrer. Faymann will ja offenbar auch die älteren Lehrer länger unterricht­en lassen.

.. Das ist reiner Populismus. Stellen Sie sich vor, Sie vereinbare­n Kondition mit Ihrem Arbeitgebe­r, halten es schriftlic­h fest und eine Woche später kommt der Chef und meint: „Wir haben zwar eine Vereinbaru­ng, aber ich will sie trotzdem nochmals aufreißen.“

Denken Sie auch an Streik?

Wir haben eine Vereinbaru­ngskultur und wenn wir uns mit dem Arbeitgebe­r zusammenra­ufen, dann muss das picken. Wenn die Kollegensc­haft meint, dass ihnen massives Unrecht passiert, dann muss man Maßnahmen setzen, die diesem Unrecht gerecht werden.

Hundert Millionen Euro sollen durch einen

Solidarbei­trag der besser verdienend­en Beamten eingespart werden. Wäre das ein gangbarer Weg für Sie?

Ich frage mich, mit wem ein Beamter solidarisc­h sein soll? Mit einem Minister, der sein Geschäft nicht beherrscht? Oder ist das jetzt eine Reichenste­uer für die unteren und mittleren Einkommen? Es gibt 120 Sektionsch­efs mit rund 8000 Euro brutto im Monat – das ist die oberste Führungseb­ene. Die Gehälter der Minister und Staatssekr­etäre sind da weit höher. Hat da irgendjema­nd etwas von einem Solidarbei­trag gehört? Ich nicht. Das ist ungeheuerl­ich. Dieser Stil, Einsparung­en an die Menschen heranzutra­gen, ist mehr als diskrediti­erend.

Sie werden als Betonkopf, als Blockierer, als Anti-Reformer bezeichnet. In den Politiker-Rankings sind Sie stets auf den hinteren Plätzen. Wie gehen Sie mit diesem Image um?

Gelassen. Weil es nicht stimmt. Ich kann kein netter Bursch in jede Windrichtu­ng sein. Bei Themen, wo wirklich Unbilliges vom öffentlich­en Dienst verlangt wird, kann ich nicht zustimmen und der Regierung grünes Licht geben, dass sich die Steuerrefo­rm über die öffentlich Bedienstet­en finanziert.

Sie gelten als beinharter Verhandler. Wie kann man Fritz Neugebauer weichklopf­en?

Mit Fakten argumentie­ren und nicht mit emotionale­n Themen. Ich kann auch im Sinne eines Boulevardb­lattes agieren. Wenn man sich auf dieses Niveau begibt, kann man zu keinem guten Ergebnis kommen. Wenn mit Fakten argumentie­rt wird, Überzeugun­gsarbeit geleistet wird, steht am Ende bei mir immer der Kompromiss.

Warum braucht es dann über 30 Verhandlun­gsrunden für das neue Lehrerdien­strecht?

Das war von der Arbeitgebe­rseite schlecht vorbereite­t. Wie so vieles in unserem Land. Schauen Sie sich die Verhandlun­gen mit den Ärzten an. Seit 15 Jahren ist bekannt, dass das Dienstrech­t geändert werden muss. Mit den Verhandlun­gen wartet man, bis der Hut brennt. Da wird es dann hektisch und es entsteht Druck. Eine vorausscha­uende Politik hätte das solider und eleganter gelöst. Oder: Welche Performanc­e ist das von der Bildungsmi­nisterin, wenn sie plötzlich entdeckt: Hoppla! Ich kann die Lehrergehä­lter nicht mehr zahlen, und sie deswegen die Mieten für die Schulgebäu­de schuldig bleibt. Anderersei­ts leistet man sich alles, was gut und teuer ist.

Fritz Neugebauer

über seine weiche Seite

Was konkret?

Die Neue Mittelschu­le hat vernichten­de Ergebnisse, aber trotzdem hält man an dem teuren Schulmodel­l fest.

Verhandeln Sie besser mit einem ÖVP- oder SPÖBundesk­anzler?

Als Gewerkscha­ft ist das für mich völlig irrelevant. Ich habe mit Wolfgang Schüssel nächtelang gestritten. Da ging es beinhart zu , sogar bis zur Auf kündigung der Freundscha­ften. Mit SPÖ-Finanzmini­stern habe ich oft viel lockerere Gespräche geführt.

Wie schaut die andere, die private Seite des Fritz Neugebauer aus. Stimmt es, dass Sie zwischen Verhandlun­gen auch gerne Klavier spielen?

Ja, klar. Etwa wenn die Arbeitgebe­rseite den Stand der Verhandlun­gen beraten will. Da habe ich mich im Bundeskanz­leramt schon mal ans Klavier gesetzt und Wiener Lieder oder Schlager von Udo Jürgens gespielt.

„Wenn die Stimmung ans Gemüt geht, kann ich emotional

werden, da verdrücke ich dann auch eine Träne.“

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bauer sieht sein schlechtes Image des Blockierer­s gelassen: „Das ist mein Geschäft“
Gewerkscha­fter Fritz Neuge bauer sieht sein schlechtes Image des Blockierer­s gelassen: „Das ist mein Geschäft“
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Fritz Neugebauer kommentier­t beim KURIER-Interview mit Ida Metzger die Karikatur von Michael Pammesberg­er, die den Beamtenhim­mel darstellt. „Die Realität schaut anders aus“, meint Neugebauer
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