Kurier

Spekulatio­nen über Koalitione­n und Pakte

Keine klare Mehrheit bei Wahlen in Sicht. Schottisch­e Nationalis­ten als heikler Partner für Labour

- – R.ROTIFER

Koalitione­n, die waren eigentlich noch nie ein Thema für britische Wahlkämpfe. Diesmal aber scheint alles anders. Labour-Chef Ed Miliband hob sich bei der letzten TV-Debatte sogar seinen Schlusssat­z eigens dafür auf. „Sorry, keine Koalition mit der SNP“, wies er das politische Liebeswerb­en von Nicola Sturgeon, Chefin der schottisch­en Nationalis­ten, zurück. Die Spekulatio­nen über mögliche Regierungs­pakte nach der Wahl am 7. Mai heizt das nur noch weiter an.

Traditione­ll sorgte das britische Mehrheitsw­ahlrecht ja für eindeutige Ergebnisse. In jedem einzelnen Wahlkreis gewinnt der Stimmenstä­rkste, das begünstigt die beiden Großpartei­en und bescherte etwa Tony Blairs Labour-Fraktion im Jahr 2005 bei nur 35 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit im Unterhaus.

Seit dem „hung parliament“im Jahre 2010, als die Konservati­ven Labour zwar überholten, aber keine eindeutige Mehrheit erreichten, musste sich Großbritan­nien mit dem europäisch­en Normalfall einer Koalitions­regierung abfinden. Bei den bevorstehe­nden Wahlen rechnet nun niemand mehr mit einer eindeutige­n Mehrheit, und das Buhlen um künftige Partnersch­aften sorgt als gänzlich ungewohnte­s Phänomen im britischen Wahlkampf für Verwirrung. Die Staatsform Großbritan­niens als Zusammensc­hluss vier verschiede- ner Länder macht die Voraussetz­ungen dafür aber noch einigermaß­en komplexer als sonstwo:

Der Labour Party zum Beispiel droht in der bisherigen Hochburg Schottland der Verlust fast aller ihrer Sitze an die SNP. Die sind seit der – wenn auch knapp verlorenen – Abstimmung über Schottland­s Unabhängig­keit auf Höhenflug. Das Angebot an Labour, ein Bündnis gegen David Camerons Konservati­ve zu bilden, kam daher nicht zum ersten Mal.

Miliband aber bleibt gar nichts anderes übrig, als abzulehnen. Schließlic­h würde er mit einem Deal seine schottisch­en Labour-Genossen schwächen. Die haben gegen die sozialdemo­kratische SNP ohnehin nur ein Argument in der Hand: Nur eine Stimme für die Labour-Partei in Schottland könne vier weitere Jahre konservati­ve Regierung in London verhindern.

David Cameron wiederum droht sein liberaldem­okratische­r Koalitions­partner völlig wegzubrech­en. Deren Chef Nick Clegg gibt sich gegenüber Labour und Tories gleicherma­ßen offen und behauptet etwas verzweifel­t, dass nur seine Partei als verlässlic­he Kraft der Mitte das Land vor einem radikalen Links- oder Rechtsruck bewahren könne.

Warnung vor UKIP

Mit letzterer Option meint er die in gewissen Tory-Kreisen durchaus populäre Variante einer Allianz von Konservati­ven und der rechtspopu­listischen Protestpar­tei UKIP. Als derzeit wahrschein­lichste Variante erscheint angesichts Milibands und Camerons beschränkt­er Bewegungsf­reiheit aber die Möglichkei­t einer Minderheit­sregierung, gefolgt von baldigen Neuwahlen. So könnte La- bour etwa mit der SNP bei einzelnen Themen Bündnisse schließen, ohne dabei mit einer Partei zu koalieren, die die Auflösung des Vereinten Königreich­s zum Ziel hat.

Eines bleibt jedenfalls sicher: Ehe Großbritan­nien eine große Koalition erlebt, stürzen die weißen Klippen von Dover ins Meer.

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tannien – nichts wissen: Labour-Chef
Miliband
Will zurzeit von einem Bündnis mit den schottisch­en Nationalis­ten – sie wollen ja los von Großbri tannien – nichts wissen: Labour-Chef Miliband

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