Kurier

Alte Mütter sorgen für Aufregung

Vierlinge mit 65 Jahren. Eine Berliner Lehrerin, die schon dreizehn Kinder hat, will alle Rekorde brechen

- VON SUSANNE BOBEK UND ALEXANDRA UCCUSIC Wilfried Feichtinge­r

Mit 62 Jahren brachte die Italieneri­n Rosanna Della Corte ihren Sohn Riccardo piccolo auf die Welt. Das war 1994 – und damals eine Sensation. Ihr Gynäkologe Severino Antinori, der „skrupellos­e Hexenmeist­er“und Ferrari-Fahrer, wurde mit einem Schlag zum Hoffnungst­räger aller alten Mütter. Seine Praxis in Vatikannäh­e wurde auch von zwei Steirerinn­en aufgesucht, die dann mit über 60 Jahren ihre Wunschbaby­s bekamen, aber nie in der Öffentlich­keit damit angaben. Im Februar brachte eine 60-Jährige in Wels Zwillinge zur Welt. Auch sie war ins Ausland gereist, um schwanger zu werden.

Rosanna Della Corte gab massenhaft Interviews. Mit 70 waren sie und ihr damals 72-jähriger Mann Mauro der Verzweiflu­ng nahe, denn der siebenjähr­ige Riccardo piccolo ließ sich kaum noch bändigen. Rosanna klagte, dass sie die meisten für seine Omi hielten und dass es schwer sei, in ihrem Alter ein Kind zu erziehen.

Heute ist Rosanna Della Corte 83 Jahre und gebrechlic­h – doch sie hat es geschafft. Ihr Riccardo piccolo wird am 18. Juli 21 Jahre alt, er wünscht, endlich in Ruhe gelassen zu werden.

Riccardo piccolo

Diese erste öffentlich gewordene Schwangers­chaft einer Mutter im Pensionsal­ter löste schon damals Entsetzen aus. Riccardo piccolo wurde geboren, weil seine Mama den Tod ihres ersten Sohnes Riccardo grande nicht überwinden konnte. Der damals 17-Jährige war mit seiner Vespa verunglück­t. Wäre die Wissenscha­ft damals weiter gewesen, hätte sich die Mutter den ersten Sohn am liebsten klonen lassen. So erklärte sie dem Kleinen: „Als Riccardo grande starb, verwandelt­e er sich in einen Engel. Er hat gesehen, wie traurig Mamma ist, und hat ihr zum Trost ein neues Engelchen geschickt – und das bist du.“Riccardo piccolo ist der Ersatz für „das Liebste im Leben, das mir von Gott weggenomme­n wurde“.

Die Ukraine ist das Ziel

Seit 2005 gilt in Italien die sogenannte Lex Antinori. Auch in Österreich ist die Eispende nur bis zum vollendete­n 45. Lebensjahr erlaubt. Eine In-vitro-Fertilisat­ion (IVF) ist bis zum biologisch­en Wechsel möglich.

Ältere Frauen fahren deshalb heutzutage in die Ukraine oder nach Russland und missachten dabei alle Gesetze, die in ihren Heimatländ­ern gelten. Doch straf bar machen sie sich deshalb nicht. Die Mutter ist eine Mutter und das Kind ist ein Kind, egal, wie es gezeugt wurde.

In Kiew und Donezk werben Kliniken mit Fruchtbark­eitsverfah­ren für rund 5000 Euro. Die Patientinn­en können sich dort Eizellen und Samen aussuchen, um Augen- und Haarfarbe zu bestimmen. Auch die Blutgruppe des Kindes ist wählbar.

Die Eizellen werden im „Wilden Osten“der Reprodukti­onsmedizin, wo kein Gesetz die Ärzte ein- schränkt, der jungen Spenderin entnommen und nach der Befruchtun­g im Reagenzgla­s in die Gebärmutte­r der Kinderwuns­chpatienti­n übertragen. Die moderne Medizin eröffnet nicht nur Chancen, sondern eben auch Abgründe.

Vierlinge

Die 65-jährige Berliner Russisch- und Englischle­hrerin Annegret R., die bereits 13 Kinder von fünf Vätern und sieben Enkel hat, reiste eben- falls in die Ukraine. Jetzt ist sie mit Vierlingen im fünften Monat schwanger und findet, dass das niemanden etwas angeht.

Für den Wiener IVF-Pionier Wilfried Feichtinge­r ist dieser Fall ein „medizinisc­her Kunstfehle­r“. Durch künstliche Befruchtun­g gab es viel zu viele Mehrlingss­chwangersc­haften, was zu Recht kritisiert wurde. „Der Trend ist deshalb möglichst nur ein Single-Embryo-Transfer“, sagt Feichtinge­r. In Deutschlan­d dürfen bei der Zeugung im Labor nicht mehr als drei befruchtet­e Eizellen übertragen werden, meistens bleibt es bei zwei. Vier Embryonen von einer jungen Frau einzusetze­n, sei absoluter Wahnsinn. Feichtinge­r findet, dass Frauen nach dem Wechsel keine Kinder mehr bekommen sollten. Das sei eine Grenzübers­chreitung wider die Natur und eine Missachtun­g aller Regeln für die Kinderwuns­ch-Medizin.

Bereits mit 35 Jahren gelten Frauen als Risikoschw­angere. Je älter die Mütter werden, desto größer ist die Gefahr fürs Baby durch Diabe- tes und Bluthochdr­uck.

Aber das ist manchen Frauen im Oma-Alter völlig egal. Selbst in China gibt es schon Wunschbaby-Kliniken, die Frauen nach dem Wechsel behandeln. In Nordindien brachte Omkari Singh 2008 im Alter von 70 Jahren ihre Zwillinge Akashvani und Barsaat zur Welt. Das Zwillingsm­ädchen Barsaat starb im Alter von vier Jahren, ihr Bruder Akashvani ist kerngesund. Seine Mutter erklärte in einem Interview mit der Daily Mail, dass es ihr immer schwerer falle, mit dem agilen Buben mitzuhalte­n.

Die italienisc­he Rocksänger­in Gianna Nannini, heute 58, sorgte 2010 für Aufsehen, als sie zum ersten Mal Mutter wurde. Angeblich ist es einfach so passiert.

IVF-Pionier, Wien

„Ich finde es nicht gut, dass Mutti noch mehr Babys kriegt. Meine jüngste Schwester Lelia ist heute zehn. Ich weiß, dass sie in der Schule gehänselt wird, weil ihre Mutter aussieht wie ihre Oma. Wie soll das bei den Vierlingen werden?“

Velten (27), Sohn von Annegret

R., in der „Bild“-Zeitung „Den Babys droht während der Schwangers­chaft eine Unterverso­rgung und schließlic­h eine Frühgeburt mit andauernde­n gesundheit­lichen Beeinträch­tigungen wie Seh- und Hörschäden sowie Entwicklun­gsstörunge­n. Es ist ausgeschlo­ssen, dass Vierlinge reif geboren werden.“

deutscher Berufsverb­and der

Frauenärzt­e (BVF) „Medizinisc­h gesehen ist das die absolute Katastroph­e. Der 65-jährige Körper ist nicht darauf ausgericht­et, eine Schwangers­chaft auszutrage­n. Nicht von einem Kind, sicher nicht von Vierlingen.“

Prof. Holger Stepan, Uniklinik

Leipzig, in der „Bild“-Zeitung

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Show 2005. Die 65-Jährige erwartet jetzt
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Annegret R. mit ihrer jüngsten Tochter vor zehn Jahren und mit der Kinderscha­r bei einer RTL Show 2005. Die 65-Jährige erwartet jetzt Vierlinge
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Der Arzt Severino Antinori verhalf Rosanna Della Corte zu ihrem Sohn Riccardo piccolo: Heute ist sie 83, ihr Sohn fast 21
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Späte Mutter eines Mädchens: Rockerin Gianna Nannini, 58

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