André Heller: Das Flanieren in Brennnesselwäldern
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Drehen Sie in Zukunft auch neue Filme?
Ich habe bei ORF III herr
Gleichgesinnte gefunden und drehe für diesen Sender, nach bisher bereits 14 Folgen Menschenkinder, noch weitere zehn. Der Erfolg dieser bis zu 90 Minuten dauernden Monologe von Ausnahmefrauen und Männern, die darin offen ihre Wege und Irrwege, Triumphe und Nöte erzählen, halte ich für ein nobles Geschenk.
Steht in Ihrem Pass wirklich „Poet“? Stimmen Sie H.C. Artmann zu, der Poetsein als Lebenshaltung beschrieb, nicht notwendiger Weise als Tätigkeit?
Es gibt ja schon Jahrzehnte im Pass keine Berufsbezeichnung mehr. Als stürmischer Jugendlicher ließ ich mir dieses oft missverstandene Wort tatsächlich eintragen, weil es mein innigster Wunsch war, im Sinne H.C. Artmanns, aber auch von Meistern des Absurden und des Traums wie Raymond Roussel, eine poetische Existenz zu führen. Das, lieber Tartarotti, ist nichts Harmloses, das mit Poesiealbum zu tun hat, sondern durchaus auch ein Flanieren in Brennnesselwäldern und das bittere Absolvieren von Expeditionen zu den Angstgöttern.
Ein Wort, das oft mit Ihnen assoziiert wird, ist: Fantasie. Denken Sie, Österreich ist heute „fantastischer“als vor 40, 50 Jahren? Und wenn ja: Haben Sie dazu beigetragen?
Fantasie ist auch so ein missbrauchtes Wort, das für jede Unsinnsmode einer amüsier- und ablenkungssüchtigen, zittrigen und häufig vor Luxusnöten schlotternden, westlichen, kapitalistischen Gesellschaft herhalten muss. Ich nütze Fantasie als einen der Zöpfe, mit denen man sich selbst aus den Sümpfen und Fallen unserer polaren Welt herausziehen kann. Sie beflügelt das wichtige Vorausdenken und kreative, querdenkerische Lösungen zentraler Probleme. Sie ist der kostbarste Rohstoff in uns, der absolut nichts kostet, außer Hingabe und Konzentration. Sie gibt den Zuneigungen den Glanz und selbst, man lese Jean Genet, der Grausamkeit und den bizarren Schrecken ein Diadem. Man muss sich allerdings davor hüten, die Fantasie zu lange auf der dunklen Seite zu verankern, sie kann einen durchaus virtuos vernichten und um den Verstand bringen.