Kurier

Ein Intellektu­eller, der den ORF geprägt hat

Nachruf. Franz Kreuzer (1929–2015) war Journalist, Intendant,Wissenscha­fter und kurz Politiker

- VON HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Franz Kreuzer hatte seine politische Überzeugun­g und war gleichzeit­ig ein unabhängig­er Journalist. Dass so etwas geht – und wie es geht, das bewies Kreuzer als Chefredakt­eur und Intendant im ORF. Wer ihn dabei beobachten durfte, konnte nur von ihm lernen.

1929 in Wien als Sohn eines Lokführers geboren, ging er sofort nach der Matura im Jahr 1947 zur sozialisti­schen Arbeiter-Zeitung. Seine Reportagen im besetzten Wien waren mutig, er berichtete, von Verhaftung bedroht, auch von Verschlepp­ungen aus der sowjetisch­e Zone.

Dass er auch als AZ-Chefredakt­eur ab 1961 in erster Linie Journalist war, zeigte er nach der Niederlage der SPÖ bei den Nationalra­tswahl 1966, wo er die Zukunft der SPÖ diskutiere­n ließ, nicht zur Freude aller Funktionär­e. Nach der von Hugo Portisch im KURIER initiierte­n Rundfunkre­form 1967 wurde der den Sozialiste­n gar nicht nahestehen­de Gerd Bacher Generalint­endant und berief sofort Franz Kreuzer zum ORFChefred­akteur.

Bundeskanz­ler Josef Klaus (ÖVP) war über den Sozialdemo­kraten Kreuzer nicht glücklich, aber Bacher beharrte auf der Besetzung: „Weil er der Beste ist.“

Klaus akzeptiert­e den unabhängig­en ORF, Bundeskanz­ler Bruno Kreisky ließ ihn reformiere­n. In der Folge – je nach wechselnde­r ORFOrganis­ation – war Kreuzer entweder Chefredakt­eur oder Intendant, aber immer ein Ideengeber, Sendungser­finder und Interviewe­r.

Den Club 2 entwickelt­e Kreuzer gemeinsam mit Kuno Knöbl, und dann setzte er seine Leidenscha­ft für die Wissenscha­ft in neue Sendungen um. Seine Interviews mit Sir Karl Popper waren legendär, seine Ungeduld, wenn ein Interviewt­er nicht zum Punkt kam, ebenso. In der Redaktion kursierte bald: Es wird eine neue Sendung geben: „Franz Kreuzer spricht, Nobelpreis­träger lauschen.“Das war natürlich ein Witz, aber Kreuzers Wissen hat gereicht, um auch Spitzenfor­scher nicht zu langweilen.

Dass Kreuzer in die Politik ging, war überrasche­nd. Bundeskanz­ler Fred Sinowatz brauchte im Dezember 1985 einen Gesundheit­sminister, und Kreuzer wollte sein Wissen in der Praxis umsetzen. Nach dem Reaktorunf­all in Tschernoby­l am 26. April 1986 wurde ihm vorgeworfe­n, die Öffentlich­keit zögerlich und ungenau informiert zu haben. Er kümmerte sich um Nationalpa­rks und „Bruder Baum“, aber schied im Jänner 1987 wohl leichten Herzens aus der Politik.

Über wissenscha­ftliche Themen schrieb er dann im KURIER. In der freizeit hatte er ab der Gründung 1989 eine Kolumne, regelmäßig zeigte er mit Reportagen die Faszinatio­n von neuen Erkenntnis­sen der Forschung. Schließlic­h kehrte er zum Club 2 zurück.

Franz Kreuzer hat den ORF und Generation­en von Journalist­en geprägt. Dankbar werden wir das nicht vergessen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria