Die runde Sache mit dem Eck
Reifegrad. Die Kunst des Käsens erfordert viel Leidenschaft, Fingerspitzengefühl und Erfahrung
Mitten in der sanfthügeligen Landschaft des Mühlviertels, in Sarleinsbach, liegt die Biokäserei St. Leonhard. Zur linken erhebt sich der Ameisberg, von dem bei unserem Besuch Ende März noch letzte Schneereste herunterblitzen. Die Luft ist frisch und feucht. Kein ideales Wetter zum Käsemachen, wie Michaela Stöbich, Geschäftsleiterin der Käserei, erklärt. „Ist draußen die Luft zu nass, lässt sich in den ReiferäumendieFeuchtigkeitschwererabtransportieren. Davon wird der Schimmel leicht grau und die gesamte Produktion wäre umsonst gewesen.“Da der Käse für die Reifung ein konstantes Klima braucht, muss die Temperatur nun besonders genau kontrolliert werden. Wie gut, dass bei der Sanierung des Betriebes 2010aucheineTemperaturanzeige im Büro platziert wurde. Dadurch hat Michaela Stöbich alles unter Kontrolle und kann im Bedarfsfall schnell reagieren, damit der optimale Reifungsprozess gewährleistet ist.
Zwei Wochen haben die kleinen Laibe bei rund 13 Grad Zeit, ihr besonderes Aroma zu entfalten. Dabei reift der Bio-Camembert von außen nach innen. Überzogen mit einer weißen, flaumigen Schimmelschicht, wird er je- den zweiten Tag gewendet, bis zu guterLetztjedesStückeinzelnvon Inge verpackt wird. Der gesamte Prozess von der Milchübernahme bis hin zum fertigen Käse wird beim AMA-Biosiegel jährlich kontrolliert. Dabei wird beim rot-weiß-rotenAMA-Biosiegelneben den hygienischen Bedingungen auch auf die Herkunft der Milch geachtet. Bei halbjährlichen Produktanalysen der Käse muss die erste Güteklasse erreicht werden. Inge hat vor acht Jahren ihr Handwerk gelernt und gehört gemeinsam mit Kollegin Gabi zum Kernteam. Inge ist auch für die Produktion des Käses verantwortlich. Nachdem um 7 Uhr 30 die 1500 Liter Milch der angeschlossenen Bio-Landwirtschaft der Stöbichs in die Wannen eingelassen wurden, mischt sie Säure- und Schimmelkulturen unter. Eine Stunde später wird durch das Zusetzen des Labs die Milch eingedickt.
Pionierarbeit
Während sich Michaela Stöbich um die Käserei kümmert, ist die Landwirtschaft die Sache von Ehemann Josef und Sohn Christian. Aufgebaut haben die Stöbichs den Betrieb gemeinsam, mit viel Schweiß und Idealismus – und dabei auch Pionierarbeit geleistet. „Wir waren von Beginn an, seit 1988, ein Bio-Betrieb. Das war anfangs schwierig, weil die Nachfrage nach Bio-Produkten kaum vorhanden war“, erinnert sich Stöbich. Fünf Jahre später veredelten sie ihre Milch und wurden zum ersten Bio-Camembert-Produzenten Österreichs. DerStartschussfüreineErfolgsgeschichte, denn im Laufe der Jahre kamen neue Sorten dazu und die Nachfrage stieg. Produziert werden Brie und Camembert. Letzterer wird nicht nur natur angeboten, sondern auch mit Nüssen, Pfeffer oder Kräutern. „Die Käserei ist meine Leidenschaft. Wir sind stolz auf unsere mehrfach ausgezeichneten Produkte und glücklich, diesen Weg gegangen zu sein“, so Stöbich.
Der nächste Wegvon Ilse führt siezurückandieWanne.Nunwird die Masse zu Bruch geschnitten und gerührt. Einen Teil der dabei austretenden Molke schöpft sie ab,damitwirdderKäsewiederauf die Ursprungstemperatur von 35 Grad gebracht. Nun hängt alles vom richtigen Fingerspitzengefühlab.„PlatztdieHautderBruchstücke beim Kneten zwischen den Fingerkuppen leicht auf, ist er so weit“, weiß die Expertin. Danach schöpfen Kollegin Gabi und sie gemeinsam aus dem Vollen. Mit Kübeln wird die Masse in Formen gegossen und glatt gestrichen. Danach wird der Käse mehrmals gewendet, bis er im Ruheraum auf Regalen gebettet die nötige Zeit hat, um den typischen schneeweißen Schimmel anzusetzen, der bei Gourmetssobeliebt ist.