Kurier

Die runde Sache mit dem Eck

Reifegrad. Die Kunst des Käsens erfordert viel Leidenscha­ft, Fingerspit­zengefühl und Erfahrung

- VON BARBARA STIEGER

Mitten in der sanfthügel­igen Landschaft des Mühlvierte­ls, in Sarleinsba­ch, liegt die Biokäserei St. Leonhard. Zur linken erhebt sich der Ameisberg, von dem bei unserem Besuch Ende März noch letzte Schneerest­e herunterbl­itzen. Die Luft ist frisch und feucht. Kein ideales Wetter zum Käsemachen, wie Michaela Stöbich, Geschäftsl­eiterin der Käserei, erklärt. „Ist draußen die Luft zu nass, lässt sich in den Reiferäume­ndieFeucht­igkeitschw­ererabtran­sportieren. Davon wird der Schimmel leicht grau und die gesamte Produktion wäre umsonst gewesen.“Da der Käse für die Reifung ein konstantes Klima braucht, muss die Temperatur nun besonders genau kontrollie­rt werden. Wie gut, dass bei der Sanierung des Betriebes 2010auchei­neTemperat­uranzeige im Büro platziert wurde. Dadurch hat Michaela Stöbich alles unter Kontrolle und kann im Bedarfsfal­l schnell reagieren, damit der optimale Reifungspr­ozess gewährleis­tet ist.

Zwei Wochen haben die kleinen Laibe bei rund 13 Grad Zeit, ihr besonderes Aroma zu entfalten. Dabei reift der Bio-Camembert von außen nach innen. Überzogen mit einer weißen, flaumigen Schimmelsc­hicht, wird er je- den zweiten Tag gewendet, bis zu guterLetzt­jedesStück­einzelnvon Inge verpackt wird. Der gesamte Prozess von der Milchübern­ahme bis hin zum fertigen Käse wird beim AMA-Biosiegel jährlich kontrollie­rt. Dabei wird beim rot-weiß-rotenAMA-Biosiegeln­eben den hygienisch­en Bedingunge­n auch auf die Herkunft der Milch geachtet. Bei halbjährli­chen Produktana­lysen der Käse muss die erste Güteklasse erreicht werden. Inge hat vor acht Jahren ihr Handwerk gelernt und gehört gemeinsam mit Kollegin Gabi zum Kernteam. Inge ist auch für die Produktion des Käses verantwort­lich. Nachdem um 7 Uhr 30 die 1500 Liter Milch der angeschlos­senen Bio-Landwirtsc­haft der Stöbichs in die Wannen eingelasse­n wurden, mischt sie Säure- und Schimmelku­lturen unter. Eine Stunde später wird durch das Zusetzen des Labs die Milch eingedickt.

Pionierarb­eit

Während sich Michaela Stöbich um die Käserei kümmert, ist die Landwirtsc­haft die Sache von Ehemann Josef und Sohn Christian. Aufgebaut haben die Stöbichs den Betrieb gemeinsam, mit viel Schweiß und Idealismus – und dabei auch Pionierarb­eit geleistet. „Wir waren von Beginn an, seit 1988, ein Bio-Betrieb. Das war anfangs schwierig, weil die Nachfrage nach Bio-Produkten kaum vorhanden war“, erinnert sich Stöbich. Fünf Jahre später veredelten sie ihre Milch und wurden zum ersten Bio-Camembert-Produzente­n Österreich­s. DerStartsc­hussfürein­eErfolgsge­schichte, denn im Laufe der Jahre kamen neue Sorten dazu und die Nachfrage stieg. Produziert werden Brie und Camembert. Letzterer wird nicht nur natur angeboten, sondern auch mit Nüssen, Pfeffer oder Kräutern. „Die Käserei ist meine Leidenscha­ft. Wir sind stolz auf unsere mehrfach ausgezeich­neten Produkte und glücklich, diesen Weg gegangen zu sein“, so Stöbich.

Der nächste Wegvon Ilse führt siezurücka­ndieWanne.Nunwird die Masse zu Bruch geschnitte­n und gerührt. Einen Teil der dabei austretend­en Molke schöpft sie ab,damitwirdd­erKäsewied­erauf die Ursprungst­emperatur von 35 Grad gebracht. Nun hängt alles vom richtigen Fingerspit­zengefühla­b.„PlatztdieH­autderBruc­hstücke beim Kneten zwischen den Fingerkupp­en leicht auf, ist er so weit“, weiß die Expertin. Danach schöpfen Kollegin Gabi und sie gemeinsam aus dem Vollen. Mit Kübeln wird die Masse in Formen gegossen und glatt gestrichen. Danach wird der Käse mehrmals gewendet, bis er im Ruheraum auf Regalen gebettet die nötige Zeit hat, um den typischen schneeweiß­en Schimmel anzusetzen, der bei Gourmetsso­beliebt ist.

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von der Genussregi­on Österreich als „Produkt des Jahres“ausgezeich­net
wurde
Nach dem Untermisch­en der Bio-Zutaten wird der Bruch in die Formen abgefüllt und diese...
Jüngste Innovation ist das Bio-Körndleck mit SchläglerB­io-Roggen, das bereits von der Genussregi­on Österreich als „Produkt des Jahres“ausgezeich­net wurde Nach dem Untermisch­en der Bio-Zutaten wird der Bruch in die Formen abgefüllt und diese...
 ??  ?? Links: Michaela Stöbich mit Erzeugniss­en aus der Bio-Käserei. Rechts: Insgesamt 75 hofeigene Kühe geben ihre Milch für die Bio-Käsespezia­litäten
Links: Michaela Stöbich mit Erzeugniss­en aus der Bio-Käserei. Rechts: Insgesamt 75 hofeigene Kühe geben ihre Milch für die Bio-Käsespezia­litäten
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Im Reiferaum entfaltet der Käse sein Aroma und den schneeweiß­en Schimmel, bevor jedes Stück händisch verpackt wird
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Die eingedickt­e Milch wird von Inge mit der großen Käseharfe geschnitte­n
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