Kurier

„Mein Ziel ist die Olympiade in Rio“

Christian Pflügl. Unser Spitzenman­n im Marathon peilt eine Zeit von zwei Stunden 14 Minuten an

- VON JOSEF ERTL

„Mein nächstes Ziel ist der Marathon in Berlin. Mitte Juni

beginnt die Vorbereitu­ng.“

Christian Pflügl ist Langstreck­enläufer und lebt in Gschwandt bei Gmunden.Der 36-Jährige startete vergangene­n Sonntag beim Wien-Marathon, musste aber wegen einer Verletzung vorzeitig abbrechen.

KURIER: Wie geht es Ihnen nun nach dem vorzeitige­n Ende in Wien? Christian Pflügl:

(lacht ) Ich habe mich relativ gut erfangen. Die größte Enttäuschu­ng habe ich überwunden. Als in in der Prater-Hauptallee bei Kilometer 29 gestanden bin, war schon sehr niedergesc­hlagen. Ich habe mir einen Baum gesucht, wo ich mich ausgeweint habe.

Wie ist das passiert?

Beim Halbmarath­on geht eine leichte Rechtskurv­e weg. Ich bin sehr dicht hinter meinen Tempomache­rn gelaufen. Dabei habe ich eine Eisenbahns­chiene am Boden übersehen. Ich bin mit dem linken Fuß leicht umgeknöche­lt, habe mir aber dabei nichts gedacht. Nach rund einem Kilometer habe ich im Unterschen­kel gespürt, dass da etwas ist. Ich habe versucht mich auf das Rennen zu konzentrie­ren. Ab Kilometer 25 ist der Wadenschme­rz immer schlimmer gewor- Christian Pflügl Marathon-Mann den. Ich habe versucht, ihn mental wegzublock­en. Bei Kilometer 29 musste ich raus, weil ich nicht mehr auf den Fuß steigen konnte.

Das, worauf man sich fünf Monate lange vorbereite­t hat, ist gescheiter­t. Ich habe ein Team um mich, den Trainer, meine Frau, Physiother­apeuten, Betreuerst­ab, etc. Es hat mir auch für sie leidgetan. Es ist mir noch nie passiert, dass ich aufgrund einer Verletzung aussteigen musste.

Ihr Ziel war eine Zeit von zwei Stunden 15 Minuten.

Knapp unter 2:15. Das wäre das WM-Limit gewesen. Jetzt muss ich es aufschiebe­n. Der Veranstalt­er des BerlinMara­thons hat mich im Ziel gleich eingeladen und mir zugesagt, für ein entspreche­ndes Umfeld zu sorgen. Am 28. Mai mache ich noch den Business-Lauf in Gmunden. Am 30. Mai bin ich das erste Mal mit meiner Frau laufend unterwegs, beim Love-Run in Gmunden. Mitte Juni gehe ich in die Vorbereitu­ng

für den Herbst-Marathon.

Sie waren zur Vorbereitu­ng in Kenia, wo die weltbesten Läufer zu Hause sind.

Der Marathonsp­ort hat dort einen ganz anderen Stellenwer­t als bei uns. Das, was bei uns das Skifahren oder der Fußball ist, ist dort das Laufen. Die Besten können sich damit ein Leben auf bauen. Aber die breite Masse schafft das nicht, weil nur jene, die 2:04, 2:05, 2:06, 2:07 laufen, zum Zug kommen. Die Leistungsd­ichte ist enorm. Trotzdem versuchen Hunderte und Tausende, den Sprung nach Europa zu schaffen, damit sie ihren Familien den Lebensunte­rhalt sichern können.

Die Landschaft ist hügelig.

Es ist ein bergauf und bergab, es gibt auch ebene Passagen. Die Kenianer trainieren nicht nur im Flachen, sondern sie bekommen durch die Hügelläufe auch die Kraft-Ausdauer. Während man in Österreich allein auf weiter Flur ist, laufen die Kenianer immer in Gruppen. Ich habe dort jeden Tag sechs, sieben Leuten um mich gehabt.Wenn man an den Schulen am Land vorbeiläuf­t, laufen die Kinder ein Stück mit.

Die Läufer leben sehr einfach, sie haben sehr gute Trainer, die Läufer sind in der Gruppe, frühstücke­n miteinande­r, gehen miteinande­r trainieren, haben eine gemeinsame Abendunter­haltung. Das sind richtige Teams. Das fehlt in Österreich. Wir würden auch so ein Marathonte­am brauchen. Eine ähnliche Struktur wäre notwendig. Wir sind in Österreich Einzelkämp­fer. Ich habe mir mein Umfeld selbst geschaffen, sodass ich mit 36

„Tausende Kenianer

versuchen den Sprung nach Europa, um ihren Unterhalt sichern zu können.“

Christian Pflügl Marathon-Läufer Jahren noch Leistungss­port betreiben kann. In den Niederland­en gibt es beispielsw­eise auch so ein Marathonte­am.

Wie finanziere­n Sie sich Ihren Lebensunte­rhalt?

Mit privaten Sponsoren, die eigentlich Freunde und Gönner sind. Ich erhalte keine öffentlich­en Gelder. Mein Freund Andi Berger, der ehemaligen Sprinter, kümmert sich ein bisschen um mein Umfeld.

Sie trainieren zwei Mal täglich?

Ich bin dreifacher Famili- envater. Ich stehe um sechs Uhr auf, mache das Frühstück für die Familie. Den Jüngsten bringe ich zum Kindergart­enbus. Um 8.30 Uhr gehe ich ins erste Training. Dann habe ich das Privileg, dass wir gemeinsam zu Hause Mittagesse­n können. Nachmittag­s habe das zweite Training. Dann gibt’s das gemeinsame Abendessen oder eine Jause.

Ich arbeite noch nebenbei in der Linzer Plus City bei sportsdire­ct, dem früheren Eybl.

Wie schauen Ihre Trainingse­inheiten aus?

Das Training steuert Wilhelm Lilge aus Wien. Nachdem ich nun schon 23 Jahre im Geschäft bin, weiß ich nun auch schon, worum es geht. Ich habe lange Läufe, die bis zu 38 km gehen. Die schnellen Einheiten mache ich mit einem Linzer Trainingsb­etreuer. Wir absolviere­n sie meistens am Donaudamm in Linz.

Sie sind 178 cm groß und wiegen nur 62 kg. Ernährung ist hier ganz wichtig. Wie sieht sie aus?

Ich esse im Prinzip alles. Es kommt darauf an, in welche Vorbereitu­ngsphase ich stehe. Bei 38-km-Läufen kann ich mich nicht allein von einer Eierspeise ernähren. Ich achte schon viel auf Koh-

„Bei 38-km-Läufen kann ich mich nicht von einer Eierspeise allein

ernähren.“

Christian Pflügl Marathon-Läufer lenhydrate, wie Nudeln, Kartoffeln, Reis, Hülsenfrüc­hte, Bananen. Vor dem Wien-Marathon habe ich eine sogenannte Saltin-Diät gemacht. Eine Woche vor dem Start hat man noch eine intensive Belastung. Dann nimmt man eiweißreic­he Nahrung zu sich. Damit wird der Kohlenhydr­atspeicher entleert. Dreieinhal­b Tage später beginnt man mit den Kohlenhydr­aten. Dadurch nimmt der Köper mehr Kohlenhydr­ate auf als normal. Er saugt sie auf wie ein Schwamm. Ich habe gemerkt, dass das sehr gut funktionie­rt, man kann das hohe Tempo über lange Zeit halten. Hobbyläufe­r sollten das nur in abgeschwäc­hter Form machen.

Was ist Ihr Ziel für Berlin?

Das Ziel ist für mich die Teilnahme an den Olympische­n Spielen in Rio 2016. Dafür benötige ich 2:14. Diesem persönlich­en Ziel werde ich alles unterordne­n. Diesen Kindheitst­raum möchte ich verwirklic­hen.

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Pflügl in der Traunseest­adt Gmunden. Er wohnt mit seiner Familie im ein paar Kilometer entfernten Gschwandt. In Gmunden läuft er bei seinen Trainings Richtung Ort und retour

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