Kurier

Als Linz die längste Brücke der Welt hatte

Geteilte Stadt. Im Linzer Nordico erinnert eine Ausstellun­g an die Zeit von 1945 bis 1955

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„Wir haben die längste Brücke der Welt. Sie beginnt in Washington und endet in Sibirien.“– Mit diesen Satz umriss der ehemaligen Landeshaup­tmann Heinrich Gleiß

(1893–1984) das Leben in einer geteilten Stadt, die Linz während der Besatzungs­zeit war. Die Donau wurde zur Demarkatio­nslinie, in Urfahr waren die Sowjets, in Linz die US-Amerikaner.

Als die Brückenkon­trollen 1953 aufgehoben wurden, feierte die ganze Stadt. Und Heinrich Gleißner tanzte mit Bürgermeis­tergattin Elmira Koref einen Walzer auf der Nibelungen­brücke – ein Bild, das sich ins Gedächt- nis der Landeshaup­tstadt eingebrann­t hat.

Ebendieser freudige Walzer war am Donnerstag­abend der rote Faden durch die Eröffnung der Ausstellun­g „Geteilte Stadt“im Stadtmuseu­m Nordico. Mit einer Tanz- und Musikperfo­rmance spannten Harmen Tromp, Christophe­r Harit- zer, Astrid Wiesinger, Florian Sighartner, Beate Wiesinger, Barbara Vuzem und Michael Gross einen Bogen vom Walzer in die swingenden Fünfzigerj­ahre hinein.

So heiter die Nachkriegs­zeit heute manchen erscheint, war sie in Wahrheit eine Periode höchster Not, erinnerte Kulturrefe­rent Bern- hard Baier an das Leben im geteilten Nachkriegs­linz und mahnte zum Gedenken und daraus Lernen. „Opfer haben neben Tätern gelebt, vieles wurde einfach ausgeblend­et“, meinte auch Bürgermeis­ter Klaus Luger. Man müsse sich auf die Geschichte einlassen und stets seine Stereotype­n hinterfrag­en – gerade in einer Stadt, die ein so schweres historisch­es und politische­s Erbe habe wie Linz.

Die Ausstellun­g zum geteilten Linz im Nordico (noch bis 26. Oktober) bietet eine gute Möglichkei­t dazu. Die Kuratoren Klaudia Kresleh

und Georg Thiel haben zahllose Schwarz-Weiß-Fo- tografien und Originaldo­kumente aus den Jahren 1945 bis 1955 zusammenge­tragen, ebenso kuriose Gebrauchs und Alltagsgeg­enstände sowie militärisc­he Relikte sind zu sehen.

In 15 extra für die Ausstellun­g produziert­en Videos kommen Zeitzeugen mit ihren persönlich­en Geschich- ten zu Wort. Eines der Lieblingse­xponate der Kuratoren ist ein im Originalzu­stand erhaltenes Care-Paket. Es enthält – gut verpackt– Kaffee, Dosenschin­ken, Rosinen und Hühnerfrik­assee. Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum dürfte nach mehr als 60 Jahren aber doch deutlich überschrit­ten sein.

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Luger, Thiel, Kreslehner, Nordico-Leiterin Bina, Baier (hi., v. li.)
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Bacon & Co: Inhalt eines Care-Pakets aus der Nachkriegs­zeit

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