Willkür – eine Frage der Sichtweise
Reformen. Klarer gefasster Investorenschutz soll Missbrauch verhindern
Ausländische Investoren vor staatlicher Willkür und Enteignung schützen – das versprechen InvestitionsschutzAbkommen. Seit 2009 handelt diese die EU-Kommission für die Mitgliedsstaaten aus – so auch bei den Handelsabkommen mit den USA
(TTIP) und Kanada (CETA). Fühlen sich Unternehmen ungerecht behandelt, können sie die Staaten vor privaten Schiedsgerichten klagen.
Klingt unverfänglich – läge der Teufel nicht im Detail. Das beginnt bei der Frage, was als Enteignung zu verstehen ist: Wenn der US-Tabakkonzern Philip Morris sein Logo nicht mehr auf australische Zigarettenpackungen drucken darf? Wenn der schwedische Stromgigant Vattenfall in Deutschland Atomkraftwerke stilllegen muss? Wenn eine Firma beim rumänischen Staat Subventionen einklagt, die dieser laut EU-Recht gar nicht mehr auszahlen dürfte? Zu diesen umstrittenen Fällen sind Klagen vor Schiedsgerichten anhängig. Kritiker werfen dem System vor, die Demokratie auszuhebeln: Wofür werden Politiker gewählt, wenn Konzerne Gesetze kippen können, die ihnen nicht passen?
Um die Bedenken auszuräumen, machte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nun Vorschläge, wie der Investitionsschutz verbessert werden könnte. – Recht auf Regulierung Den Staaten soll explizit das Recht eingeräumt werden, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu treffen – nicht im eher unverbindlichen Vorwort der Abkommen, sondern mit eigenem Artikel. – Klarere Definition Schwammige Formulierungen in alten Abkommen (wie „stabiles Geschäftsumfeld“) hätten zu Missbrauch eingeladen, so Malmström. Die klarere Definition, was eine „faire und ge- rechte Behandlung“für Konzerne ist, soll die Klagsflut eindämmen. Künftig müsse in jedem Fall der Verlierer die Kosten tragen; das soll Klagen auf Verdacht verhindern. – Keine Paralleljustiz Wer klagen will, soll sich entscheiden: vor dem Schiedsgericht oder der nationalen Justiz. Die Schiedsgerichte sollten stärker wie traditionelle Gerichte funktionieren. So soll es eine Einspruchsmöglichkeit gegen Urteile und eine fixe Liste von Schiedsrichtern geben, die für Verfahren bestellt werden. Bisher können die Streitparteien diese teilweise selbst benennen. – Eigener Gerichtshof Auf lange Sicht schwebt Malmström ein eigener internationaler Schiedsgerichtshof für Konflikte zwischen Staaten und Investoren vor. Der Berufungsmechanismus und die fixe Schiedsrichterliste sollen erste Schritte in diese Richtung sein.