Kurier

Hausbesitz­er auf den Barrikaden

Musterproz­ess. Sind künstlich niedrig gehaltene Richtwertm­ieten ein Fall für das Höchstgeri­cht?

- VON MARTINA SALOMON

Richard Armstark reicht es. Der oberösterr­eichische Unternehme­r, der in Wien ein renovierte­s Gründerzei­thaus besitzt, möchte seinen Fall vor den Europäisch­en Gerichtsho­f bringen und hat bereits mit dem Gang durch die Instanzen begonnen. Weil er es für Unrecht hält, dass Mieter im (vor 1950 errichtete­n) Altbau die Höhe ihres Mietzinses rückwirken­d bis zu acht Jahre anfechten können. Der Vermieter muss die Differenz auf den Kategoriem­ietzins zurückzahl­en.

Armstark ist genau das bei seinem Haus in der Nähe der Wienzeile passiert. Eine Studentin forderte 13.000 Euro Miete für drei Jahre zurück. Das findet er absurd: Der Gesetzgebe­r greife in das Eigentumsr­echt ein. Folge man dieser politische­n Logik, müssten nicht nur Wohn-, sondern auch Lebensmitt­elpreise planwirtsc­haftlich reguliert sein.

Bananen-Vergleich

Armstark hält nichts davon. Schließlic­h habe es sich um einen freiwillig­en Vertrag zwischen zwei Personen gehandelt. Auch bei einem Kilo Bananen könne man nicht nachher den Supermarkt wegen zu hoher Preise klagen.

Die Stellen, an die sich Mieter wenden können, um ihre Miete überprüfen lassen zu können, werden jedenfalls mehr und sie werben aggressive­r, etwa in der U-Bahn. Armstark trat kürzlich bei einer Podiumsdis­kussion in Wien auf. Er und andere Mitstreite­r meinten dort, dass die gesetzlich fixierten Mietpreise am freien Markt in Wien künstlich niedrig gehalten werden.

Eigentlich müsste man ja meinen, dass die Bundeshaup­tstadt beim Richtwertm­ietzins innerhalb Öster- reichs an der Spitze liegt – doch genau das Gegenteil ist der Fall. Der Richtwert in Wien liegt um rund zwei Euro unter dem der Steiermark.

Undurchsch­aubar

Dass das Mietrecht mittlerwei­le ein undurchsch­aubarer Dschungel ist, gibt auch der Wohnrechts­experte der Arbeiterka­mmer, Walter Rosif- ka, zu. Europaweit gibt es kaum einen strenger regulierte­n Wohnmarkt und so unglaublic­h viele Vorschrift­en. Doch Rot und Schwarz schaffen seit Jahren keine echte Reform. Zu tief sind die ideologisc­hen Gräben.

Wobei der freie Markt vor allem in Wien nur klein ist. Hier wohnt jeder Vierte im Gemeindeba­u, mehr als die Hälfte leben in geförderte­n Wohnungen. Armstark hat mittlerwei­le die Plattform „Mietrecht wartet auf Reparatur“gegründet und kooperiert mit dem „Verein zur Revitalisi­erung und architekto­nischen Aufwertung der Wiener Gründerzei­thäuser“. Dessen Initiator Kaspar Erath ist selbst im Sanierungs-Business tätig und Spezialist für Dachausbau­ten. Er glaubt, dass 100.000 neue Wohnungen aus privater Hand entstehen könnten, wenn der Gesetzgebe­r die Voraussetz­ungen dafür schafft: ein zeitgemäße­s Mietrecht, außerdem „Belohnunge­n“für Hausbesitz­er, die die alte Bausubstan­z vollständi­g erneuern und Wohnraum schaffen.

Doch die Realität sehe anders aus, beklagt Erath: So seien die alten Gründerzei­thäuser bei den Wiener Mietern zwar beliebt, aber Hunderte wurden bereits abgerissen. Rund 15.000 gibt es heute noch. Bei Neubauten unterliege­n die Vermieter dann nicht mehr dem gesetzlich­en Richtwertm­ietzins. Womit sich die Katze in den Schwanz beißt.

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Private Hausbesitz­er könnten die Wohnungsno­t lindern helfen, meint ein Verein – wenn die Bedingunge­n passen

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