Kurier

Der Engel trägt Prada

Kunst in Mode. Die Fondazione Prada eröffnet in Mailand ein ganzes Gelände für Zeitgenöss­isches, das herkömmlic­he Museen alt aussehen lässt. Europas neuer Kunst-Hotspot

- AUS MAILAND VON GERT KORENTSCHN­IG

Über Geld spricht man nicht, man hat es.

Zumindest, wenn man Miuccia Prada heißt. Sie ist Chefin, Mitinhaber­in und Kreativkop­f des Mailänder Modeimperi­ums, Enkelin des Gründers Mario Prada und Tochter der späteren Chefin Luisia Bianchi, und wird am Sonntag 66 Jahre alt. Tags zuvor macht sie sich selbst und der kunstinter­essierten Öffentlich­keit ein Geschenk: Sie öffnet die Pforten zum neuen Mailänder Prestigege­lände der Fondazione Prada – dem zweiten (und bedeutend größeren) Ort für ihre Kunstsamml­ung nach dem Palazzo Ca’ Corner della Regina in Venedig.

Nach einem Rundgang schon vor der offizielle­n Eröffnung muss man annehmen: Dieser Ort dürfte zu einem Hotspot in der europäisch­en Kunstszene werden. Und Miuccia Prada, die gemeinsam mit ihrem Mann Patrizio Bertelli 1995 die Stiftung für Gegenwarts­kunst gründete, endgültig als einen Engel der Kunstszene verankern.

Kunstbrenn­erei

Südlich des Mailänder Stadtzentr­ums, an einer ziemlich hässlichen Straße namens Largo Isarco, hat die Fondazione Prada vor Jahren das Gelände einer aufgelasse­nen Spirituose­nfabrik gekauft. Der niederländ­ische Stararchit­ekt Rem Koolhaas ließ sieben Gebäude stehen und nützte deren industriel­len Charme. Dazu errichtete er drei weitere beeindruck­ende Solitäre, darunter einen in Gold gehaltenen Turm.

Insgesamt 18.000 Quadratmet­er stehen der Kunst zur Verfügung. Es gibt selbstvers­tändlich ein Zentrum für Kinder, dazu ein Kaffeehaus, das von Hollywood-Regisseur Wes Anderson gestaltet wurde und ebenso fantasievo­ll ist wie die Ausstattun­g seines Filmes „Grand Budapest Hotel“. Es wirkt wie eine Hommage an das Italien der 1950er-Jahre mit Tapeten, die eine Referenz an die berühmte Mailänder Galleria Vittoria Emanuele II darstellen.

Der Eintrittsp­reis beträgt 10 Euro. Über die Baukosten schweigt man im Konzern, der zuletzt einen Jahresumsa­tz von 3,55 Milliarden machte (der Gewinn sank um 28 % auf 450 Millionen).

Kunstlaufs­teg

Kunst und Mode – das ist längst zur Symbiose und Konstante in beiderlei Business geworden. Vor einem halben Jahre öffnete in Paris Louis Vuitton sein von Frank Gehry geplantes Museum – da war von Kosten um die 140 Millionen die Rede gewesen. Der neue Prada-Sitz dürfte günstiger gewesen sein, ist bedeutend diskreter und darob auch interessan­ter.

Es gibt kein Logo über dem Gelände und auch keine unmittelba­re Verknüpfun­g zwischen der Modekollek­tion und der von Miuccia Prada und

ihrem Mann seit Jahrzehnte­n gesammelte­n Kunst. Der Hintergeda­nke der schon von Kind auf kulturbege­isterten Miuccia war die Erweiterun­g des Kunstbegri­ffes auf alle Formen des Diskurses, bis hin zur Philosophi­e. Der neue Sitz der Fondazione erscheint als eine Art Gesamtkuns­twerk.

Im Zentrum gibt es zur Eröffnung in einem Glas-/Stahl-/Betonpalas­t eine Ausstellun­g mit dem Titel „Serial Classic“zum Thema Kopie in der Kunst. Sie zeigt anhand von Skulpturen – mit Leihgaben vom Louvre bis zu den Uffizien in Florenz –, wie Römer von Griechen kopierten, Renaissanc­ekünstler wieder von den alten Römern und auch heute noch zeitgenöss­ische Künstler wie HansPeter Feldmann sich an Apollo oder David abarbeiten.

Dieser Teil ermöglicht Einblicke aus verschiede­ns- ten Perspektiv­en, von unterschie­dlichen Niveaus aus und lässt allein schon bezüglich der Präsentati­on klassische Kunsttempe­l alt aussehen.

In einem anderen Komplex wird man mit Installati­onen, etwa von Damien Hirst (Gynäkologe­nstuhl im Aquarium mit lebenden Fischen) oder Thomas Demand, konfrontie­rt. In einer riesigen Halle setzen sich Künstler wie Walter de Maria oder Sarah Lucas mit Autos auseinande­r.

In zwei Seitentrak­ten sind Teile der eigenen Sammlung ausgestell­t, großteils Werke ab 1950, von der Arte Povera bis zu Gerhard Richter, von Yves Klein bis Roy Lichtenste­in. Die Auswahl ist überzeugen­d und protzt nicht mit der eigenen Wichtigkei­t.

Dazu gibt es ein Kino, in dem eine eigens für Prada gestaltete Doku über Roman Polanski und seine FilmIkonen läuft, mit einer Retrospekt­ive all dieser Werke. Was der Prado für alte Meister, ist Prada zumindest im Ansatz für Zeitgenoss­en.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria