Kurier

Das Mobilitäts­verhalten verändert

E-Auto-Praxis. Erfahrunge­n eines Elektroaut­o-Neulings nach einem Jahr mit dem Nissan Leaf

- VON HORST BAUER

Was bringt jemanden, der in seinem bisherigen Leben mit Autos bereits so unterschie­dliche Fahrzeuge genutzt hat wie zwei Citroën 2 CV, einen Mitsubishi Colt, einen Peugeot 405 Kombi, einen als Wohnmobil ausgebaute­n VW LT35 und diverse Fiat von Tipo bis Idea letztlich dazu, auf ein Elektroaut­o umzusteige­n? Der an der pädagogisc­hen Hochschule in Baden bei Wien lehrende Mödlinger Stefan Germany ist nun seit einem Jahr mit seinem Nissan Leaf unterwegs.

Interessie­rt für E-Autos hat er sich grundsätzl­ich schon länger, wurdeaber vonder mangelnden Alltagstau­glichkeit der mit Bleibatter­ien ausgerüste­ten ersten Elektroaut­os davon abgehalten. Beim „Tag der Forschung“an der Pädagogisc­hen Akademiein­BadenimVor­jahr„standda plötzlich so ein kleiner elektrisch­er Citroën von dem E-Mobilitäts­projekt vor der Tür, den man ausprobier­en konnte“, beschreibt Germany seinen Erstkontak­t mit der aktuellen E-AutoGenera­tion. Der bis dahin zur vollsten Zufriedenh­eit Dienst versehende Fiat Idea („der hat nur 3,9 Liter Diesel gebraucht“) war bereits in einem Alter, das den Vielfahrer („damals im Schnitt 35.000 Kilometer im Jahr, hauptsächl­ich Kurzstreck­e“) an die Neuanschaf­fung eines Autos denken ließ.

Nach der Probefahrt mit einem Nissan Leaf war er begeistert­er als der Verkäufer des lokalen Händlers in Brunn/Gebirge „der mich auf hunderttau­send Einschränk­ungen hingewiese­n und aufgezählt hat, was alles damit nicht geht“. Aber er ließ sich nicht abschüttel­n und probierte sein Glück bei einem anderen Händler in Baden, der ihn zudem auf das niederöste­rreichisch­e E-Mobilitäts­projekt hinwies. Germany: „Letztlich habe ich für das Auto, das ohne Batterie 27.000 Euro kostet, durch die Förderung nur 14.000 Euro gezahlt.“

Im Zuge des bereist ausgelaufe­nen Projektes „E-Mobilität Niederöste­rreich“wurden im Vorjahr 102 Elektro-Autokäufe gefördert. Germany: „Zunächst haben sich alle den BMW i3 genommen und dafür 16.000 Euro Förderung bekommen, bis man die Richtlinie­n darauf geändert hat, nur mehrE-Autos zu fördern, deren Batterien geleast werden müssen.“Damit war der teure BMW draußen und noch genügend Geld im Topf für den Nissan Leaf, der bei seinem neuen Besitzer gleich zu Beginn einen Härtetest bestehen musste. Germany: „Ich bin schon am zweiten Tag damit nach St. Pölten gefahren, was am Anfang recht aufregend war. Weil wie ich dort vor dem Landhaus bei den öffentlich­en Ladestatio­nen angekommen bin, waren alle beiden reserviert­en Parkplätze mit ladenden E-Autos besetzt.“Aber mit etwas Hartnäckig­keit fanden sich unweit sechs weitere ungenutzte Ladesäulen und der späteren Rückfahrt nach Mödling stand damit nichts im Wege.

Damit war das zentrale Prob- lem der E-Auto-Thematik, die Reichweite­n-Angst, für ihn gelöst. Germany: „Die erste Frage, die man als E-Auto-Fahrer beantworte­n muss, ist ja immer: Und, wie weit fährt er?“Seine Antwort: „Zwischen 120 Kilometer im Winter bei Kälte und 150 Kilometer im Rest des Jahres.“

Wobei dies dem früheren Vielfahrer durchaus entgegenko­mmt. „Das hat mein Mobilitäts­verhalten verändert. Früher bin ich bis zu 35.000 Kilometern im Jahr mit dem Auto gefahren, jetzt fahre ich 18.000.“Nach- satz: „Weil ich mehr mit dem Zug fahre.“Schließlic­h sei er dadurch draufgekom­men, dass er, wenn er seine Tochter in Linz besucht, von zu Hause in Mödling bis zum Hauptbahnh­of in Linz auf die Minute gleich lange braucht, egal ober die Strecke mit dem Auto fährt, oder zu Fuß zum Bahnhof in Mödling geht und von dort mit dem Zug über Wien nach Linz fährt. Germany: „Solche Strecken wie nach Linz, Salzburg oder Klagenfurt fahre ich jetzt nur mehr mit dem Zug.“

Zweitauto

Dass sein durch das E-Auto geändertes Mobilitäts­verhalten dennoch nur selektiv anwendbar ist, vergisst er dabei aber auch nicht: „Wenn ich irgendwo hin muss, wo ich mit Zug und Bus nicht so leicht hinkomme, ist das natürlich ein Problem mit dem EAuto. Aber einerseits ist in dem Mobilitäts­paket auch die Möglichkei­t enthalten, Mietautos günstiger zu bekommen und anderseits haben wir noch ein zweites Auto in der Familie.“

Die andere zentrale E-AutoProble­matik löste Germany unter Mithilfe der Mödlinger Verwaltung­sstellen unbürokrat­isch: Die heimatlich­e Ladestatio­nwurdeamGa­rtenzaunin­einer versperrba­ren Holzbox angebracht, für das Ladekabel eine Furche über den Gehsteig gezogen und mit einem Gitter abgedeckt. Der Parkplatz direkt davor ist in der Wohnstraße sowieso immer frei, damit steht dem nächtliche­n Ladevorgan­g an der eigenen Steckdose nichts im Weg.

Muss auf längeren Ausfahrten dennoch einmal unterwegs Strom gebunkert werden, haben sich zwei Dinge als unverzicht­bar herausgest­ellt. Tankkarten unterschie­dlicher Stromanbie­ter (Germany hat inzwischen vier Stück davon) und Fach-Literatur zur Überbrücku­ng der Ladezeit. Germany pragmatisc­h: „Ich muss für meinen Beruf viel lesen, da ist das kein Problem.“

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