Kurier

Zugunglück: Schadhafte Schutzvorr­ichtung?

Zugunglück. Lebensrett­ende Schutzvorr­ichtung brach bei Crash / Mögliche Wende bei Suche nach den Ursachen

- VON DOMINIK SCHREIBER UND ELISABETH HOLZER

Gebrochene­r Aufkletter­schutz könnte zum Tod des Lokführers (21) geführt haben

Menschlich­es Versagen. Nach dem schweren Zugunglück in der Steiermark wurde schon nach wenigen Stunden ein Grund genannt, warum ein 21-jähriger Lokführer getötet und acht weitere Personen verletzt wurden. Recherchen des KURIER zeigen aber nun, dass es möglicherw­eise noch andere Ursachen gibt. Denn offenbar ist bei dem Zusammenpr­all der lebensrett­ende „Auf klettersch­utz“abgebroche­n. Wäre das nicht passiert, hätte der Triebfahrz­eugführer den Crash auf der Übelbacher Bahn am Mittwoch möglicherw­eise überlebt.

Auf klettersch­utz

Mit dieser Sicherheit­svorrichtu­ng werden zwei Züge bei einem Zusammenst­oß daran gehindert, „aufzusteig­en“und sich ineinander zu bohren (siehe auch Bilder rechts). Auf zahlreiche­n Fotos von der Unfallstel­le ist eindeutig zu sehen, dass zumindest zwei dieser Schutzvorr­ichtungen bei dem Aufprall abgebroche­n sein dürften. Sie liegen neben den beiden demolierte­n Zügen. Damit entlud sich die Energie beim Zusammenst­oß nicht auf zwei „Airbags“dahinter, sondern in das Cockpit des Lokführers, der an den Folgen des Unfalls starb.

Vermutunge­n über den gebrochene­n Auf klettersch­utz kursieren in verschiede­nen deutschen und österreich­ischen Bahn-Fachforen. Den Unfall hätte auch ein perfekt funktionie­render Aufstiegss­chutz nicht verhindert, allerdings wäre er wohl weniger dramatisch abgelaufen.

Beim Schweizer Lok-Hersteller Stadler heißt es auf Anfrage, dass man „bisher nicht in die Untersuchu­ngen invol- viert ist und daher keine Stellungna­hme abgeben“könne. Die Züge entspreche­n aber den neusten Normen, wird betont. Laut diesen muss der Schutz einen Aufprall von 36 km/h schadlos überstehen. Bahn-Experten befürchten nach dem Unfall bereits, dass diese Vorschrift nicht ausreichen­d sein könnte. Noch unklar ist, wie hoch die Geschwindi­gkeit der Züge beim Zusammenst­oß war.

Bei der Staatsanwa­ltschaft Graz und im Verkehrsmi­nisterium, dessen Bundesanst­alt für Verkehr den Unfall derzeit untersucht, hieß es am Donnerstag vorerst nur, dass derzeit „alles untersucht wird“. Beide Züge wurden vorerst beschlagna­hmt.

Am Donnerstag wurde auch die Aufzeichnu­ng des Gespräches zwischen Fahrdienst­leiter und Lokführern abgehört. Sie bestätige den ersten Verdacht auf menschlich­es Versagen, bedauert Helmut Wittmann, Geschäftsf­ührer der Landesbah- nen. Demnach hatte der ältere Kollege telefonisc­h die Streckenfr­eigabe für den Gegenzug bekommen, der 21Jährige habe das bestätigt. „Das ist ganz eindeutig zu hören, es gab keine Verbindung­sprobleme“, versichert Wittmann. „Wieso er aber über den Haltepunkt hinausgefa­hren ist, ist uns allen ein Rätsel. Dafür gibt es keinen Hinweis.“

Züge 2011 geliefert

Die beiden Lokführer dürften einander erst im letzten Moment gesehen haben, denn die Unfallstel­le liegt in einer leichten Kurve. Ob es Probleme mit dem Auf klettersch­utz gegeben habe, könne Wittmann nicht sagen. „Da ist der Sachverstä­ndige der Staatsanwa­ltschaft dran.“Da beide Triebwagen Ende 2011 geliefert wurden, gehe er davon aus, dass sie „dem Stand der Technik entspreche­n“.

Die Gewerkscha­ft erhebt indes schwere Vorwürfe. Roman Hebenstrei­t, Vorsitzen- der des Fachbereic­hs Eisenbahn, berichtet von „Hinweisen auf technische Probleme“. Üblicherwe­ise würden auf eingleisig­en Strecken GPS-Systeme eingesetzt, das sei Stand der Technik. „Wenn sich herausstel­lt, dass diese beiden Fahrzeuge nicht damit ausgerüste­t waren, wäre das dramatisch. Wenn man dann von menschlich­em Versagen redet, ist das menschlich­es Versagen der Geschäftsl­eitung“, sagt der Gewerkscha­fter.

Auch auf der Homepage der Landesbahn hört sich der Bericht zum Unfall in den „News“wie ein Eingeständ­nis an: Wir bedauern, dass es durch unser Verschulde­n zu diesem Unfall kam.

 ??  ?? Der Aufkletter­schutz (im weißen Kreis) verhindert, dass Züge bei einem Zusammenst­oß „aufsteigen“und sich so ineinander­bohren. Beim Crash brachen zwei solcher Teile
Der Aufkletter­schutz (im weißen Kreis) verhindert, dass Züge bei einem Zusammenst­oß „aufsteigen“und sich so ineinander­bohren. Beim Crash brachen zwei solcher Teile
 ??  ??
 ??  ?? Ein Video auf Youtube zeigt, was bei einem Crash mit (unten) und ohne Aufkletter­schutz (oben) passiert.
Ein Video auf Youtube zeigt, was bei einem Crash mit (unten) und ohne Aufkletter­schutz (oben) passiert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria