Zugunglück: Schadhafte Schutzvorrichtung?
Zugunglück. Lebensrettende Schutzvorrichtung brach bei Crash / Mögliche Wende bei Suche nach den Ursachen
Gebrochener Aufkletterschutz könnte zum Tod des Lokführers (21) geführt haben
Menschliches Versagen. Nach dem schweren Zugunglück in der Steiermark wurde schon nach wenigen Stunden ein Grund genannt, warum ein 21-jähriger Lokführer getötet und acht weitere Personen verletzt wurden. Recherchen des KURIER zeigen aber nun, dass es möglicherweise noch andere Ursachen gibt. Denn offenbar ist bei dem Zusammenprall der lebensrettende „Auf kletterschutz“abgebrochen. Wäre das nicht passiert, hätte der Triebfahrzeugführer den Crash auf der Übelbacher Bahn am Mittwoch möglicherweise überlebt.
Auf kletterschutz
Mit dieser Sicherheitsvorrichtung werden zwei Züge bei einem Zusammenstoß daran gehindert, „aufzusteigen“und sich ineinander zu bohren (siehe auch Bilder rechts). Auf zahlreichen Fotos von der Unfallstelle ist eindeutig zu sehen, dass zumindest zwei dieser Schutzvorrichtungen bei dem Aufprall abgebrochen sein dürften. Sie liegen neben den beiden demolierten Zügen. Damit entlud sich die Energie beim Zusammenstoß nicht auf zwei „Airbags“dahinter, sondern in das Cockpit des Lokführers, der an den Folgen des Unfalls starb.
Vermutungen über den gebrochenen Auf kletterschutz kursieren in verschiedenen deutschen und österreichischen Bahn-Fachforen. Den Unfall hätte auch ein perfekt funktionierender Aufstiegsschutz nicht verhindert, allerdings wäre er wohl weniger dramatisch abgelaufen.
Beim Schweizer Lok-Hersteller Stadler heißt es auf Anfrage, dass man „bisher nicht in die Untersuchungen invol- viert ist und daher keine Stellungnahme abgeben“könne. Die Züge entsprechen aber den neusten Normen, wird betont. Laut diesen muss der Schutz einen Aufprall von 36 km/h schadlos überstehen. Bahn-Experten befürchten nach dem Unfall bereits, dass diese Vorschrift nicht ausreichend sein könnte. Noch unklar ist, wie hoch die Geschwindigkeit der Züge beim Zusammenstoß war.
Bei der Staatsanwaltschaft Graz und im Verkehrsministerium, dessen Bundesanstalt für Verkehr den Unfall derzeit untersucht, hieß es am Donnerstag vorerst nur, dass derzeit „alles untersucht wird“. Beide Züge wurden vorerst beschlagnahmt.
Am Donnerstag wurde auch die Aufzeichnung des Gespräches zwischen Fahrdienstleiter und Lokführern abgehört. Sie bestätige den ersten Verdacht auf menschliches Versagen, bedauert Helmut Wittmann, Geschäftsführer der Landesbah- nen. Demnach hatte der ältere Kollege telefonisch die Streckenfreigabe für den Gegenzug bekommen, der 21Jährige habe das bestätigt. „Das ist ganz eindeutig zu hören, es gab keine Verbindungsprobleme“, versichert Wittmann. „Wieso er aber über den Haltepunkt hinausgefahren ist, ist uns allen ein Rätsel. Dafür gibt es keinen Hinweis.“
Züge 2011 geliefert
Die beiden Lokführer dürften einander erst im letzten Moment gesehen haben, denn die Unfallstelle liegt in einer leichten Kurve. Ob es Probleme mit dem Auf kletterschutz gegeben habe, könne Wittmann nicht sagen. „Da ist der Sachverständige der Staatsanwaltschaft dran.“Da beide Triebwagen Ende 2011 geliefert wurden, gehe er davon aus, dass sie „dem Stand der Technik entsprechen“.
Die Gewerkschaft erhebt indes schwere Vorwürfe. Roman Hebenstreit, Vorsitzen- der des Fachbereichs Eisenbahn, berichtet von „Hinweisen auf technische Probleme“. Üblicherweise würden auf eingleisigen Strecken GPS-Systeme eingesetzt, das sei Stand der Technik. „Wenn sich herausstellt, dass diese beiden Fahrzeuge nicht damit ausgerüstet waren, wäre das dramatisch. Wenn man dann von menschlichem Versagen redet, ist das menschliches Versagen der Geschäftsleitung“, sagt der Gewerkschafter.
Auch auf der Homepage der Landesbahn hört sich der Bericht zum Unfall in den „News“wie ein Eingeständnis an: Wir bedauern, dass es durch unser Verschulden zu diesem Unfall kam.