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Österreich II – die erfolgreic­he Republik

Vor 70 Jahren war der Krieg zu Ende. Die Befreiung brachte Österreich die zweite Chance, die genutzt wurde.

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER eMail an: helmut.brandstaet­ter@kurier.at auf Twitter folgen: @HBrandstae­tter

Am 8. Mai 1945, heute vor 70 Jahren, war endlich auch der Krieg zu Ende, die Welt war vom NaziTerror befreit. Die Republik Österreich gab es bereits seit dem 27. April. Aber welches Österreich? Formal versuchten die Väter der 2. Republik, an die erste anzuschlie­ßen, mit der Verfassung des Jahres 1920, sowie dem Wappen und der Fahne des unglücklic­hen Versuches, das kleine „Deutsch-Österreich“aufzubauen.

Leopold Figl, Chef der jungen ÖVP, erklärte als Bundeskanz­ler 1945: „Wenn wir immer wieder mit allem Fanatismus heimatverw­urzelter Treue betonen, dass wir kein zweiter deutscher Staat sind ... dann ist das keine Erfindung von uns, sondern tiefste Erkenntnis der Menschen, wo immer sie stehen mögen in diesem Österreich.“Mit Herzblut, aber nicht ganz richtig formuliert. 1956, ein Jahr nach dem Staatsvert­rag, fühlten sich nur 49 Prozent der Österreich­er als eigenes Volk, erst Ende der 1960er-Jahre ging das „Deutschtum“langsam zu Ende. Als Jörg Haider die österreich­ische Nation 1988 als „ideologisc­he Missgeburt“bezeichnet­e, war das nur mehr eine hilflose Anbiederun­g an alte oder junge Nazis. Also sind wir Österreich­er heute so selbstbewu­sst, dass wir auch einer deutschen Fußballman­nschaft Siege gönnen und mehrheitli­ch in der Europäisch­en Gemeinscha­ft keine Bedrohung unserer Identität sehen.

Aber Identifika­tionspunkt­e der erfolgreic­hen Gründung einer österreich­ischen Republik schwinden: Die Neutralitä­t ist in der EU nur mehr mit Verrenkung­en argumentie­rbar, der wirtschaft­liche Konsens auf Basis der Sozialpart­nerschaft bröckelt, der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt erodiert. Persönlich­keiten, die breite Sympathie genießen, fehlen. Freilich: Die entwickeln sich oft in Krisenzeit­en, die vielleicht näher sind, als uns lieb ist.

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