Kurier

„Es geht mir wieder gut“

Elfriede Ott wird 90. Und hat sich nach schwerer Krankheit erholt

- VON GEORG MARKUS

Monatelang war sie krank, sehr krank. Blutvergif­tung, eine Operation am Herzen, ein Sturz, ein Leben im Rollstuhl. Die stets so positiv wirkende Elfriede Ott hatte ihre Lebensfreu­de verloren, ging kaum aus dem Haus und dachte, dass ihr nur ein Wunder helfen könne. Vor zwei Wochen trat es ein. „Es war ganz plötzlich, von einem Tag zum anderen. Ich komm mir vor, als wär ich in Lourdes gewesen“, sagt sie. „Es geht mir wieder gut. Auch meine Knie, die mir seit Jahren Probleme bereiteten, spielen mit, ich kann wieder mit einem Stock gehen.“Elfriede Ott, die am 11. Juni ihren 90. Geburtstag feiert, schließt nicht aus, eines Tages wieder Theater zu spielen.

Der letzte Auftritt

Der Genesungsp­rozess geht soweit, dass sie erklärt, sich „nicht wie 90 zu fühlen. Auch nicht wie 80. Ich hab das Gefühl, dass es immer so war wie jetzt.“Vor zwei Jahren sagte sie in einem KURIERInte­rview, dass sie nie mehr Theater spielen würde. Ihre Knie machten solche Probleme, dass sie sich bei jedem Schritt auf der Bühne an den Requisiten festhalten musste. Ihre Szenen wurden so verändert, dass sie mehr sitzen konnte als gehen oder stehen zu müssen. Am 19. August 2012 war sie zum letzten Mal aufgetrete­n: in der Posse „Umsonst“bei ihren NestroySpi­elen auf Burg Liechtenst­ein, dann war’s vorbei. Es folgten Knieoperat­ionen, die nicht halfen. Die Ott zog sich zurück, blieb aber nicht untätig. Sie unterricht­ete Schauspiel­schüler, schrieb Bücher, gab Lesungen und malte.

Doch wieder Theater?

Bis im vorigen Herbst, ausgehend von einer Blutvergif­tung, der Zusammenbr­uch kam. Langer Spitalsauf­enthalt inklusive.

Jetzt, da es ihr wieder viel besser geht, stellt sich die Frage, ob sie nicht eines Tages doch wieder auftreten wird.

„Ich hab 70 Jahre Theater gespielt“, sagt sie, „davon 60 am Theater in der Josefstadt. Nach allem, was ich in den letzten Monaten gesundheit­lich durchgemac­ht habe, bin ich ziemlich weit entfernt von der Bühne. Ich weiß nicht, ob ich es mir wünschen soll, wieder zu spielen, denn das Theater verlangt mehr von einem, als auf der Bühne zu stehen. Da muss man jeden Abend hingehen und funktionie­ren.“

Aber die Sehnsucht, die gibt es. „Derzeit versuche ich sie zu unterdrück­en. Ich geh kaum ins Theater, damit sie nicht wieder auf kommt.“

Elfriede Ott ist die Doyenne des Theaters in der Josefstadt und hat – gemeinsam mit Partnern wie Fritz Muliar, Ernst Waldbrunn, Alfred und Maxi Böhm – jahrzehnte­lang vor allem in den Kammerspie­len enorm viel Publikum angezogen. „Der Direktor Föttinger sagt, wenn er mich sieht: ,Na vielleicht wird’s wieder.’ Es ist noch zu früh, aber möglich wäre es.“Sie selbst glaubt an weitere gesundheit­liche Fortschrit­te, „und wenn das so ist, kann man auch übers Theaterspi­elen nachdenken.“

Rollen für die Alten?

Alles wird hinterfrag­t: „Gibt es überhaupt noch das gute alte Boulevardt­heater? Heute will man ja, dass möglichst alles die Jungen spielen. Für die Alten gibt es nur noch ganz wenige Rollen.“

Bittet man die Ott um einen Rückblick auf ihr Theaterleb­en, sagt sie: „Ich bin keine, die zurückblic­kt, ich schau nach vorn. Aber wenn Sie mich fragen: Ich hab so viel nicht gemacht, was ich gerne getan hätte. Ein Stück von Ibsen spielen oder einen Schnitzler. Ich war aufs Komödianti­sche festgelegt, die ernsten Rollen hat man mir vielleicht nicht zugetraut.“Mit ihren Erfolgen konnte sie nicht viel anfangen. „Der Applaus, der gestern war, nützt nichts, alles muss jeden Tag neu erarbeitet, neu empfunden werden. Da ist der Jubel, und dann geht man raus aus dem Theater und ist einsam. So ist das Schauspiel­erleben, das sagt man nicht nur so, es ist so.“

Wenn keiner lacht

Doch sie wäre nicht die Ott, bliebe sie ein ganzes Interview lang ernst. Schon hat sie eine Theater-Schnurre parat: „Ich spielte 1968 in der Josefstadt die Marie in Shakespear­es ,Was ihr wollt’. Da gibt es die Szene, in der ich laut und lange lachen muss. Der Regisseur hat zu mir gesagt, ich soll, wenn ich lache, bis 20 zählen, dann lacht das ganze Theater mit. Ich zähl also und war schon bei 30 – aber es hat noch immer keiner gelacht.“

Die Geschichte passt maßgeschne­idert zum Titel ihres neuen Buches „Auch lachen kann man lernen, Meine jüdischen und andere Witze“, das diese Woche erscheint. Sie wird es präsentier­en, daraus lesen, der Landeshaup­tmann Pröll gibt ihr zu Ehren ein Geburtstag­sessen, und auch sonst ist sie wieder voll im Einsatz, lehrt an ihrer Schauspiel­schule. Und kann kaum glauben, „dass ich jetzt 90 bin, das Leben ist wie im Flug vergangen. Die Zahl ist schon ein Problem für mich, weil man in eine Abschiedss­timmung verfällt. Die Lotte Ingrisch freut sich so auf den Tod und will mich auch davon überzeugen, aber das gelingt ihr nicht. Ich bin zu gerne da. Gerade weil ich nach vorn blicke, denk ich an den Tod. Ich weiß, dass er auf mich wartet.“

Bis dahin können wir die Ott aber hoffentlic­h noch oft auf der Bühne erleben.

georg.markus@kurier.at

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