Kurier

30 Grad machen 3300 Euro Strafe

Hitze-Tortur für Hunde. Rechtsguta­chten belegt: Die Polizei darf Autofenste­r einschlage­n, um gequälte Tiere zu retten

- VON BERNHARD ICHNER

Im Sommer platzt Bibliothek­arin Claudia Reichmann fast täglich der Kragen. Immer wieder beobachtet die Tierfreund­in, wie Hundebesit­zer ihr Auto vor der Bücherei am Siegesplat­z in der Donaustadt im prallen Sonnensche­in parken – und ihre Vierbeiner darin einsperren, um „kurz“eine Besorgung zu erledigen. Dass dies für Hunde akute Lebensgefa­hr oder zumindest massive Gesundheit­sschäden bedeuten kann, ist vielen nicht bewusst.

Frau Reichmann reagiert immer gleich: Sie fotografie­rt „Tatort“sowie Kennzeiche­n – und macht sich in der unmittelba­ren Nachbarsch­aft auf die Suche nach den Hundebesit­zern. Findet sie sie nicht oder reagieren diese uneinsicht­ig, alarmiert sie die Polizei. Die dürfte sogar die Scheiben einschlage­n, um das Tier aus dem Auto zu befreien – das belegt ein Rechtsguta­chten, das die Tierschutz-Ombudsstel­le der Stadt Wien erstellen ließ.

Bis 7500 Euro Strafe

Den Hund bei Hitze im Auto einzusperr­en – und sei es auch nur kurz – gilt als Tierquäler­ei. Leitet die Behörde ein Verwaltung­sstrafverf­ahren ein, droht dem Hundehalte­r je nach Härtegrad des Falls eine Strafe von bis zu 7500 Euro. 2014 musste eine Wienerin 3300 Euro berappen, weil sie ihren Hund bei 30 Grad Celsius im Wagen gelassen hatte. Das Fenster war bloß einen Spalt breit geöffnet. Als die Polizei eintraf, lag der Hund regungslos vor dem Beifahrers­itz.

Dass dies bei Weitem kein Einzelfall war, weiß Eva Persy nur zu gut. Weil in Wien 2013 und 2014 trotzdem nur jeweils knapp 20 Strafverfa­hren wegen Hitze-Torturen eingeleite­t wurden, will die Tierschutz-Ombudsfrau der Stadt nun die Zivilcoura­ge fördern. Engagierte Bürger müssten aktiv werden und die Polizei alarmieren, sagt sie.

Die Gefahr werde unterschät­zt, betont Persy. „Denn Hunde sind sehr hitzeempfi­ndlich. Ein gesunder Hund hat ab 40 Grad Celsius bereits ein ernsthafte­s Problem. Junge, alte oder kranke Hunde dementspre­chend früher.“

Einer deutschen Studie zufolge hat es bei 24 Grad Außentempe­ratur im Auto nach 10 Minuten 31, nach 30 Minuten 40 und nach 60 Minuten sogar 50 Grad Celsius. Bei sommerlich­en 34 Grad Außentempe­ratur sind es 40, 50 bzw. 60 Grad im Innenraum. Ein wenige Zentimeter weit geöffnetes Seitenfens­ter ändert daran so gut wie überhaupt nichts.

Hunden bleibt jede Kühlung verwehrt, weil sie (bis auf eine kleine Stelle an den Pfoten) nicht schwitzen können. „Und um zu hecheln, bräuchten sie Energie und Wasser“, erklärt Persy.

Kalte Dusche ist tabu

Das Risiko für die Tiere ist enorm: Der Hitzschlag droht. Symptome für eine gesundheit­liche Beeinträch­tigung infolge der Hitze können unter anderem eine schnelle, flache Atmung, eine tiefrote Zunge, glasiger Blick, Erbrechen, Krämpfe, Gleichgewi­chts- und Bewusstsei­nsstörunge­n sowie Bewusstlos­igkeit sein.

Als sofortige Gegenmaßna­hme im Ernstfall muss der Hund in den Schatten gebracht und zum Trinken ani- miert werden. Persy empfiehlt zudem, ihn in eine stabile Seitenlage zu bringen und mittels nasser Tücher sukzessive abzukühlen. Keinesfall­s darf das geschwächt­e Tier einfach eiskalt abgeduscht werden. Wenn möglich, sollte man den Hund zum Tierarzt bringen.

Um auf die Problemati­k – und die drohenden Strafen – aufmerksam zu machen, setzt die Tierschutz-Ombudsstel­le nun auf Auf klärung. Mittels Broschüren, die öffentlich aufliegen. Doch so manchem reicht das nicht. Frau Reichmann, zum Beispiel, steckt die Info-Karten den Parkenden vor ihrer Bücherei vorsorglic­h unter die Scheibenwi­scher.

„Ein gesunder Hund hat ab 40 Grad Celsius bereits ein ernsthafte­s Problem.“

Eva Persy

Tierschutz-Ombudsfrau

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Im Auto eingesperr­ten Hunden droht der Hitzschlag, ihre Besitzer erwarten massive Geldstrafe­n (gestelltes Foto: Mischling Murphy geht’s gut)
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