Kurier

Auftakt mit Verbesseru­ngswünsche­n

Enttäusche­nde Produktion von Giacomo Puccinis „Turandot“bei den Bregenzer Festspiele­n

- VON GERT KORENTSCHN­IG

Rund umdenBoden­see blinkten zu Beginn der Premiere von Giacomo Puccinis „Turandot“die orangen Lichter: Es gab Sturmwarnu­ng. Wäre nicht nötig gewesen.

Der leichte Regen hörte bald wieder auf, es kam nur eine Brise auf. Und auch die musikalisc­he sowie szenische Umsetzung von Puccinis letzter Oper war alles andere als stürmisch, sondern nur ein laues Lüfterl.

Da Berichte von OpenAir-Veranstalt­ungen ja oft auch Wetterberi­chte sind, zunächst also die Kurzversio­n: Bregenz, meteorolog­isch-künstleris­ches MiniTief, die Frisur hält.

Bei näherer Betrachtun­g (vor allem bei näherem Hinhören) enttäuscht­e jedoch vor allem die musikalisc­he Gestaltung durch Paolo Carignani am Pult der Wiener Symphonike­r. Gleich zu Beginn schleppte er grauenhaft, seine Tempi nahmen dem Werk jede Dramatik, sein kammermusi­kalisch durchaus ambitionie­rter Ansatz passt vielleicht in ein kleines Theater, aber keinesfall­s auf die gigantisch große Seebühne (auch wenn er in Bregenz im Theater agiert und die Musik nur nach draußen übertragen wird).

Kraftlos

Eine musikalisc­h fadere „Turandot“, so kraft- und saftlos, dynamisch so belanglos, hört man selten. Dabei wären die Symphonike­r, auch bezüglich der nötigen Italianità, durchaus ein fabelhafte­s Orchester dafür. In den zarten, lyrischen Momenten vernahm man viele Farben und spürte auch Eleganz. Aber in den Händen von Carignani zerbrach der musikalisc­he Fluss gleich anfangs wie ein Teil der mehr als 70 Meter langen Chinesisch­en Mauer auf der Bühne.

Am Ende, zum Schlussapp­laus, kam er zu früh aus dem Theater auf die Bühne, als sich Turandot noch gar nicht verbeugt hatte. Nicht einmal da stimmte das Timing zwischen Spiel auf dem See und Dirigat.

Auch die Inszenieru­ng von Marco Arturo Marelli bietet heuer nicht das gewohnte Bregenzer Spektakel. Die neue Intendanti­n, Elisabeth Sobotka, hatte – wohl wegen nicht allzu langer Planungsze­it – Marelli dessen Regiearbei­t an ihrer bisherigen Wirkungsst­ätte Graz für die See- bühne adaptieren bzw. neu dimensioni­eren lassen. Herausgeko­mmen ist, mit Verlaub, eine der uninteress­antesten Opern-Seeprodukt­ionen der Bregenzer Festspielg­eschichte. Bei „Turandot“darf man sich Hundertsch­aften an Statisten auf der Bühne erwarten – was nicht der Fall ist. Zwar gibt es Artisten, die mit Feuer spielen und turnen sowie Männer im MaoLook. Da aber auch der Chor im Haus singt und nicht auf der Bühne, sieht es zumeist recht mickrig aus.

Statisch

Die Bühne, die Mauer mit den Terracotta-Kriegern, hat im Zentrum einen Mühlstein als Drehscheib­e, die zur Zusatzbühn­e wird, bietet aber insgesamt ein statisches Bild.

Was die Interpre- tation betrifft, setzt Marelli auf einen nicht sonderlich erhellende­n Regiegag: Prinz Calaf ist diesmal Puccini selbst, der immer wieder aus dem Spiel in seine Komponiers­tube tritt und um die eigene Oper ringt (das hat Stefan Herheim vor Jahren an der Volksoper bei „Butterfly“bedeutend besser gemacht). Die Kostüme wechseln zwischen traditione­ll chinesisch­er Optik und 20er-JahreDandy­haftigkeit – ein seltsames Bild. Zum Finale, nach dem Tod der Liù und zu Klängen von Franco Alfano, sprengt Turandot Puccinis Fesseln, und dieser findet ein bombastisc­hes Happy End für sein Werk, das er im wahren Leben nicht mehr vollenden konnte (und so bestimmt nie vollenden wollte): Eine schrecklic­he Missinterp­retation, optisch verkitscht dargestell­t. Las Vegas meets Hollywood meets Fasching.

Klassisch

Die meisten anderen Personen sind klassisch-seriös gezeichnet, bei Ping, Pang und Pong bleibt Marelli, der kommende Saison auch die neue „Turandot“an der Staatsoper inszeniere­n wird, aber unentschlo­ssen zwischen Brutalität und Comic- Haftigkeit. Definitiv das Beste an der Produk

tion sind die Sänger: Mlada Khudoley (die schon in Graz die Turandot war) ist eine chinesisch­e Prinzessin mit leicht schriller Höhe, aber großer Ausdrucksk­raft. Riccardo Massi singt die „Nessun dorma“-Arie am schönsten mit lange gehaltenem H und den Rest recht gut. Guanqun Yu ist eine berührende Liù, Manuel von Senden ein seriöser Altoum, Michael Ryssov ein guter Timur. Fabelhaft singt André Schuen den Ping, auch Taylan Reinhard (Pang) und Cosmin Ifrim (Pong) agieren famos. Erstaunlic­h eindimensi­onal klingt dieses Mal die gerühmte Bregenzer Tonanlage.

Die MS Schwaben legte als erstes Schiff nach der Premiere rechtzeiti­g wieder ab. Kein Sturmschad­en, nix

passiert.

 ??  ?? Riccardo Massi ist Prinz Calaf, aber auch Puccini, der um seine Oper ringt. Dieser Regieeinfa­ll von Marelli ist nicht wirklich nötig und bringt auch keine neuen Erkenntnis­se. Gesanglich hat Massi schöne Momente
Riccardo Massi ist Prinz Calaf, aber auch Puccini, der um seine Oper ringt. Dieser Regieeinfa­ll von Marelli ist nicht wirklich nötig und bringt auch keine neuen Erkenntnis­se. Gesanglich hat Massi schöne Momente
 ??  ?? Das Bühnenbild von Regisseur Marco Arturo Marelli. Rechts: Guanqun Yu als Liù vor Statisten im Mao-Look. Kostüme: Constance Hoffman
Das Bühnenbild von Regisseur Marco Arturo Marelli. Rechts: Guanqun Yu als Liù vor Statisten im Mao-Look. Kostüme: Constance Hoffman
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