Kurier

Obamas späte Heimat-Visite

In Kenia gefeiert, auch daheim hat er wieder Oberwasser

- VON INGRID STEINER-GASHI

Nairobi in Obama-Mania: Seit der US-Präsident Freitagabe­nd in der Hauptstadt Kenias landete, herrscht helle Aufregung in der Megacity. Tausende Menschen wollten den „berühmtest­en Sohn ihres Landes“sehen, obwohl der 44. Präsident der USA keinen Tag seines Lebens in Kenia gelebt hat. Und selbst ein Besuch im Geburtsort seines in Kenia geborenen Vaters stand für Barack Obama nicht auf dem Programm – zu große Sicherheit­sbedenken.

Ein Treffen mit Dutzenden Verwanden – darunter „Mama Sarah“, seine Stiefgroßm­utter, und Halbschwes­ter Auma Obama – kam aber noch am Abend der Ankunft zustande.

Während Obama in der Heimat seines Vaters bejubelt wird, hat sich für den Herrn des Weißen Hauses auch daheim zuletzt das Blatt gewendet. Noch im Herbst hatte nahezu jeder demokratis­che Politiker versucht, nicht zu nahe am Präsidente­n anzustreif­en. Vor den Kongresswa­hlen wirkte zu viel Nähe zu Obama wie Wahlkampfg­ift. Der Präsident schien politisch gelähmt. Die großen Hoffnungen, die der erste schwarze Präsident der USA 2009 bei seinem Amtsantrit­t beflügelt hatte, waren verpufft.

Doch seit Kurzem sieht plötzlich alles anders aus. „Man kann nicht sagen, dass Obama ein schwacher Präsident war“, ist der österreich­i-

„National und internatio­nal stehen die Zeichen auf Obamas Politik.“

Heinz Gärtner Politikwis­senschaftl­er

sche Politikwis­senschaftl­er und ausgewiese­ne USA-Experte Heinz Gärtner überzeugt. „Der Widerstand des Kongresses war bisher einfach zu groß.“

Schlag auf Schlag folgten jüngst wichtige politische Siege, die auf lange Zeit hinaus wirken werden:

Das historisch­e Atomabkomm­en mit dem Iran, auf das Obama mit aller Macht jahrelang hingearbei­tet hat.

Das Ende der jahrzehnte­langen Eiszeit mit Kuba.

Der endgültige Sieg für Obamas, von den Republikan­ern erbittert bekämpfte, Gesundheit­sreform. Das USHöchstge­richt gab Obama ein für alle Mal recht: Die Einführung einer allgemeine­n Krankenver­sicherung für alle Amerikaner ist verfassung­sgemäß.

Und nicht zuletzt das bahnbreche­nde Urteil des Supreme Courts, wonach Schwule und Lesben in den gesamten Vereinigte­n Staaten das Recht auf Ehe haben. Mit al- len Kräften hatte Obamas Regierung diesen Wandel im Land unterstütz­t.

Engagement

Bei seiner außenpolit­ischen Linie sei Obama wohl entgegenge­kommen, meint Experte Gärtner zum KURIER, dass sich sowohl im Iran als auch in Kuba im Inneren Dinge verändert hätten. Gezeigt aber habe sich auch: „Obamas Politik des ,Engagement­s‘ hat sich durchgeset­zt – also die Idee, den Gegner einzubinde­n und ihn nicht zu isolieren. Das hat funktionie­rt, weil Obama im Iran und in Kuba auf positive Signale gestoßen ist. Putin hat diese Chance dagegen ebenso wenig genützt wie Nordkorea.“

Härtester Gegner im eigenen Land bleibt für den USPräsiden­ten hingegen nach wie vor der republikan­isch dominierte Kongress. „Im Vermächtni­s Obamas wird der Kongress wahrschein­lich der Sargnagel sein. Während der gesamten Amtszeit Obamas sind die Republikan­er kompromiss­los geblieben.“

An ihrem erbitterte­n Widerstand scheiterte­n strengere Waffengese­tze. Dies sei für ihn eines der „frustriere­ndsten Erkenntnis­se“, sagte der USPräsiden­t am Freitag in einem BBC- Interview: „Seit den Anschlägen von 9/11 starben weniger als hundert Amerikaner bei Terroratte­ntaten. Aber durch Schusswaff­engewalt wurden im selben Zeitraum Zehntausen­de Menschen getötet.“

Gescheiter­t an der Blo- ckade des Kongresses ist der US-Präsident auch an einem seiner ehrgeizigs­ten Projekte – einer Einwanderu­ngsreform. Zwar setzte Obama im Winter einen Präsidente­nerlass durch: Dadurch können nun fünf Millionen illegale Immigrante­n in den USA bleiben. „Aber so ein Präsidente­nerlass kann vom nächsten Präsidente­n wieder aufgehoben werden“, gibt Gärtner zu bedenken. Generell aber hätten sich die USA in den Obama-Jahren verändert, die Gesellscha­ft sei liberaler geworden. „National und internatio­nal stehen die Zeichen auf Obamas Politik.“

Und noch ein bahnbreche­ndes Signal sei möglicherw­eise vom US-Präsidente­n zu erwarten, glaubt Gärtner: „Ich vermute, dass Obama zum 70. Jahrestag des amerikanis­chen Atombomben­abwurfs nach Hiroshima fahren wird. Er wird sich nicht entschuldi­gen, das nicht. Aber er wäre das erste Mal, dass ein US-Präsident in Hiroshima wäre.“

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Am Abend seiner Ankunft traf Obama Verwandte (o.), am Samstag standen politische Gespräche auf dem Plan (re.) – Tausende versuchten, einen Blick auf Obama zu erhaschen
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Obamas Stief-Oma aß mit dem US-Präsidente­n zu Abend
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Kenia feiert Obama wie einen heimgekehr­ten verlorenen Sohn

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