Kurier

Warum in Gabčíkovo die Volksseele kocht

Flüchtling­e. Lokalaugen­schein in der Ortschaft

- – INGRID STEINER-GASHI

„Für eine 5000-Seelen-Gemeinde sind 500 Fremde einfach zu viel.“– Der Bürgermeis­ter von Gabčíkovo erklärt im KURIER-Gespräch, warum die Volksseele in der slowakisch­en Ortschaft kocht. Auf dem Gelände der ehemaligen Technische­n Universitä­t sollen dort, so hat es die slowakisch­e Regierung mit Österreich vereinbart, noch im August 500 in Österreich ge- strandete Flüchtling­e untergebra­cht werden. Obwohl ein Referendum in Gabčíkvo kürzlich mit 97 Prozent gegen den Plan ausging. „Wir wollen mitreden“, sagen die Bürger. Auf griechisch­en Inseln sind indes allein im Juli 50.000 Flüchtling­e gestrandet. Staatliche Hilfe gibt es keine. Auf Kos kam es am Dienstag zu ersten Unruhen.

Touristen, die sich an den nordöstlic­hen Stränden der griechisch­en Insel Kos in der Sonne aalen, können fast täglich zuschauen: Auf heillos überfüllte­n Schlauchbo­oten landen erschöpfte Flüchtling­e, von der fünf Kilometer entfernten türkischen Küste kommend. Dutzende stranden vor den Augen der Urlauber auf Kos, oft mehrere Hundert pro Tag. Insgesamt waren es heuer mehr als 7000.

Ein anschwelle­nder Flüchtling­sstrom, der die Urlauberin­sel vollkommen überforder­t. Erstmals kam es gestern zu Zusammenst­ößen zwischen verzweifel­ten, wütenden Flüchtling­en und Polizei. Es fehlt an allem, die Menschen wollen nichts wie weg und forderten ihre Papiere zurück. „Es ist die Hölle auf Erden“, sagte die sichtlich erschütter­te deutsche Grüne Claudia Roth, die sich selbst ein Bild von der Lage machte.

Der Bürgermeis­ter der Stadt Kos warnt bereits, angesichts der wachsenden Spannungen, drohe „Blut zu fließen“. Vom krisengesc­hüttelten Staat Griechenla­nd kommt so gut wie keine Un- terstützun­g. Nur dank Spenden der Inselbewoh­ner, vieler Touristen und einiger Hilfsorgan­isationen kommen die Flüchtling­e zu Essen, Wasser und, wenn überhaupt, zu einem Schlafplat­z in einem früheren Hotel.

Mehr als 150.000 Flüchtling­e, die Mehrheit Syrer, sind heuer in Griechenla­nd angekommen. Allein 50.000 waren es im Juli – mehr als im gesamten Vorjahr. Erste Ziele der von der türkischen Küste aus losgeschic­kten Flüchtling­e sind abgesehen von Kos die Inseln Chios, Samos, Lesbos und Agathonisi. Um den Zustrom bewältigen zu können, hat die EU-Kommission Athen 474 Millionen Euro zugebillig­t. Das Problem dabei: Noch hat Griechenla­nd keine Strukturen, um die Programme managen zu können. So etwa scheiterte die Verlegung von Flüchtling­en aus Athens Stadtzentr­um in ein neu errichtete­s Camp am Stadtrand an fehlenden Klimaanlag­en: Die schnell hochgezoge­nen Metallcont­ainer waren unter der glühenden Sonne Athens schlicht unbenutzba­r.

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