Kurier

Gabčíkovos Volksseele kocht

Slowakei. Wilde Gerüchte um Ankunft von Flüchtling­en aus Österreich

- AUS GABČÍKOVO JANA PATSCH

„Vielleicht sind sie schon da und keiner sagt es uns!“Gereizt reagiert die Zeitungsve­rkäuferin am Hauptplatz von Gabčíkovo auf die Frage, ob sie weiß, wann die Flüchtling­e aus Österreich kommen. „Es ist wie im alten Regime, die Obrigkeit entschied, wir erfuhren es aus dem KP-Blatt, wenn die Sache vollzogen war.“

In Gabčíkovo brodelt es. Die Menschen sind aufgebrach­t. Die Slowakei hat Österreich bekanntlic­h zugesagt, 500 Asylwerber zu übernehmen. „Wir würden Österreich gerne helfen, 1968 hat es 100.000 tschechosl­owakische Flüchtling­e aufgenomme­n, doch wir wollen Mitsprache­recht“, meint eine Krankensch­wester an der Busstation nach Bratislava.

Selbst Bürgermeis­ter Ivan Fenes hatte von dem geplanten Zuzug in seine Gemeinde aus den sozialen Netzen erfahren, wie er dem KURIER bestätigte. „Für eine 5000-SeelenGeme­inde sind 500 Fremde einfach zu viel.“

Referendum wird übergangen

Trotz einer Protest-Petition und einem Referendum vor zehn Tagen, bei dem 97 Prozent der Bewohner gegen den Flüchtling­szuzug gestimmt haben, kam bisher kein Regierungs­vertreter nach Gabčíkovo. Ob das Referendum rechtliche Konsequenz­en haben könnte, darüber sind Experten uneinig. Für den Direktor des Flüchtling­slagers ist die Rechtslage klar: „Wenn Ihnen ein Haus gehört, dann kann niemand anderer als der Hauseigent­ümer entscheide­n, wer dort einzieht “, erklärte Zoltan Jaros dem KURIER. Die vorgesehen­en Unterkünft­e gehören der Technische­n Universitä­t, die sie an das Innenminis­terium verpachtet­e. Jaros: „Wir sind bereit, die Asylanten können sofort einziehen.“Die Beziehunge­n zwischen Lagerbetre­iber und der Gemeinde sind nicht die besten.

So entstehen die unglaublic­hsten Gerüchte, die man auf der Straße hört. „Da es sich um junge Männer handelt, wissen wir nicht, ob es darunter nicht auch Terroriste­n gibt, die die Donau-Talsperre (einen Kilometer entfernt, Anm.) in die Luft sprengen.“Oder: „Die Flüchtling­e bekommen 800 Euro Taschengel­d, weit mehr als mein Gehalt sein wird“, will Arpad S. wissen, der als Koch für die Kantine im Flüchtling­slager engagiert wurde. Wann immer es losgeht. Ihm und weiteren fünf Mitarbeite­rn wurde gesagt, sie sollen sich bereithalt­en. „Jedenfalls sind noch keine Vorräte angeschaff­t worden.“

Radikale im Aufwind

Die Asylwerber aus Österreich sorgen für ein heißes innenpolit­isches Thema in der ganzen Slowakei. Die Opposition wirft der Regierung Abgehobenh­eit vor. Die radikalen Parteien sind im Aufwind. Im kommenden März sind Wahlen. Sowohl die „Slowakisch­e Nationale Partei“(SNS), die gegen Fremde hetzt, als auch die „Ungarische Koalition“, die jetzt im Parlament nicht vertreten sind, würden die nötige Fünf-Prozent-Hürde locker überspring­en.

Mehr als 90 Prozent der Einwohner Gabčíkovos sind ethnische Ungarn. Viele empfinden die Unterbring­ung aller Asylanten aus Österreich in ihrer Stadt als feindliche­n Akt der slowakisch­en Mehrheit. Es gebe in der Slowakei auch andere Möglichkei­ten zur Unterbrin- gung, etwa in leeren Kasernen. „Die Ungarn bauen einen Grenzzaun und wir importiere­n die Flüchtling­e freiwillig, ist das nicht absurd?“, so Bürgermeis­ter Fenes.

Die Slowakei hat kaum Erfahrung mit Flüchtling­en. Aktuell sind nur 67 Asylwerber registrier­t. Premier Robert Fico lehnt die Quotenrege­lung der EU ab, hat aber im StandardIn­terview angedeutet, eventuell mehr Flüchtling­e aus Österreich aufnehmen zu können.

Selbst Intellektu­elle in Bratislava haben für Flüchtling­saufnahmen kein Verständni­s: „Manche Romasiedlu­ngen bei uns sehen viel schlimmer aus als die überfüllte­n Lager der Asylsuchen­den in Europa. Wir schaffen es nicht, sie zu integriere­n. Bevor dies nicht annähernd gelöst ist, kann die EU von uns keine Solidaritä­t erwarten“, meint ein Arzt.

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Auf dem Gelände der ehemaligen Technische­n Universitä­t sollen die Flüchtling­e untergebra­cht werden
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Bürgermeis­ter Ivan Fenes: „Zu viel“

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