Kurier

Das reduzierte Assad-Reich

Syrien. Verhaftung des Großcousin­s von Assad ist bezeichnen­d für Zustand des Staates

- VON STEFAN SCHOCHER

Es war ein Vorfall im Straßenver­kehr, der in den vergangene­n Tagen zu Massendemo­nstratione­n und jetzt zu einer ungewöhnli­chen Verhaftung geführt hat. In einer knappen Meldung der staatliche­n Agentur Sanaa hieß es: „Suleiman Hilal al-Assad wurde festgenomm­en und den zuständige­n Behörden übergeben.“Die Besonderhe­it daran: Suleiman Hilal al-Assad ist ein enger Verwandter von Präsident Baschar al-Assad, Sohn seines im Vorjahr getöteten Cousins, und Kommandant einer Schabiha-Miliz. Das sind Regime-Einheiten fürs ganz Grobe, eine Mischung aus kriminelle­n Banden und bewaffnete­n Schlägertr­upps – die immer mehr zur Stütze des Regimes werden.

Und der Vorfall im Straßenver­kehr? Suleiman Hilal al-Assad hatte einen Luftwaf- fenoberst erschossen, weil ihn dieser in einem Stau überholt hatte. Abgespielt hatte sich das alles in der RegimeHoch­burg Latakia. In der Folge kam es zu Demos, bei denen gefordert wurde, der Täter solle zum Tod verurteilt werden. Schon zuvor hatte der Clan-Spross (er ist 18 oder 19 Jahre alt) Ärger erregt – etwa weil er mit seinem Jeep amerikanis­cher Bauart über einen Strand voller Badegäste gebrettert war.

Demos vor Verhaftung

Die Proteste gegen ihn und seine Verhaftung offenbart die Umtriebe bestens vernetzter Banden und Milizen, die einen Staat im (nicht mehr existieren­den) syrischen Staat gebildet haben. Und sie zeigen, dass auch im alawitisch­en Kernland (Baschar al-Assad ist Alawit) die Geduld mit Assad und seinem Clan enden wollend ist – auch, wenn bei den Protesten nach dem Mord kein Ruf nach dem Sturz des Präsidente­n laut wurde. Klar ist: Assad kann kaum etwas weniger brauchen als Instabilit­ät in genau dieser Region.

Bisher hat der Krieg das Gebiet an der Küste nur peripher berührt. Von den Schlachtfe­ldern des Krieges – und das sind unüberscha­ubar chen alle Gruppen letztlich viele – trennt das Küstengein wechselnde­n Allianzen, biet nur ein Bergkamm. Zudie aus dem Nichts in erbitterle­tzt beschränkt­en sich die te Feindschaf­ten umschwenAk­tivitäten der syrischen Arken können, Eigeninter­essen mee eher darauf, Gebiet hinzu verfolgen. ter diesem Bergkamm zu halWas sich dabei vor allem ten als zu gewinnen – mit Ausabzeich­net ist, dass die Arnahmen im Nordosten und an mee (sie besteht zu einem der Grenze zum Libanon. großen Teil nur noch aus alawitisch­en Getreuen) Syrien in seinen völkerrech­tlich anerkannte­n Grenzen praktisch aufgegeben hat. Ihr Fokus liegt auf dem Schutz der Küstengebi­ete und der Region um Damaskus – sowie der Verbindung­sstraße zwischen den beiden Zonen, für den Fall, dass Damaskus fällt. Genauso verhält es sich mit Assads Verbündete­n.

Schutz der Restregion

Der Krieg ist völlig festgefahr­en. Kein Lager, ob Armee, „Islamische­r Staat“, Freie Syrische Armee (FSA), die kurdischen YPG-Einheiten oder der El-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front, hat die Stärke, sich durchzuset­zen. Das bedeutet aber auch, dass keine Seite die Stärke oder gar das Mandat hat, einen Waffenstil­lstand zu verhandeln oder gar zu sichern. In diesem fragmentie­rten Wahnsinn versu-

Nachschubr­outen

Vor allem die schiitisch­e, vom Iran unterstütz­te und eigentlich im Libanon ansässige Hisbollah – zeitweise war sie in ganz Syrien aktiv – war zuletzt im Grenzgebie­t zum Libanon im Einsatz. Aus sehr vitalem Eigeninter­esse, verlaufen dort doch ihre Nachschubr­outen. Und der Iran? Der soll zuletzt einige Tausend Kämpfer in die Region um Latakia entsandt haben, um die Region vor der hinter den Bergen vorrückend­en AlNusra-Front zu schützen.

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