Alpha, Beta, Google … baut um
Firmenstruktur. Unter dem Namen „Alphabet“schafft sich der Internetgigant einen neuen Mutterkonzern
Die Überraschung war groß, als der Internetriese am späten Montagabend verkündete, dass Google Inc. ab sofort als Tochterfirma unter einem neuen Mutterkonzern namens Alphabet geführt wird. Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin werden Alphabet als CEOund Präsident anführen, neuer Google-Chef wird Sundar Pichai
Neben Google soll es in Zukunft diverse Tochterfirmen unter dem AlphabetDach geben. Darunter fallen etwa das Projekt Calico, eine Gesundheitsfirma sowie das zugekaufte Thermostatunternehmen Nest oder das Drohnenprojekt Wing. Besonders spannend ist das Google-X-Lab – das geheimnisumwobene Forschungslabor, in dem visionäre Projekte wie Googles selbstfahrende Autos, Ballons zur Internetversorgung oder Google Glass entstanden sind.
Unter der Marke Google bleiben Bereiche wie Suche, Android, YouTube und der Google Play Store.
Visionen
Die Projekte, um die sich die Google-Gründer kümmern wollen, sind dagegen eher dem visionären und experimentellen Bereich zuzuordnen. Dass sich Page und Brin immer mehr in diese Richtung orientierten, wurde schon in den vergangenen Jahren deutlich. Über Werbeanzeigen oder eMails hörte man die beiden selten sprechen, vielmehr ging es um die ganz großen Themen: Gesundheitsfragen, der Sprung ins Weltall, alternative Energien. „Sergey und ich meinen es sehr ernst damit, neue Dinge zu starten“, sagt Page. Google zeigt mit seiner Umstrukturierung noch deutlicher, dass es sich bei dem Riesenkonzern nicht mehr nur um einen Suchmaschinenbetreiber handelt, auch wenn dieser nach wie vor hauptsächlich mit Onlinewerbung Geld verdient. Von den knapp 35 Mrd. Dollar Umsatz (31,9 Mrd. Euro) im ersten Halbjahr 2015 entfielen 31,5 Mrd. Dollar auf Online-Anzeigen (ein Anteil von 90 Prozent). Diese finanzieren die „coolen“Projekte de facto mit. Dass YouTube kein eigenständiges Unternehmen wird, könnte damit zu tun haben, dass man so die im Verhältnis zur milliarden-großen Nutzergemeinde eher schwachen Erträge besser verschleiern kann.
Mit der neuen Struktur kann der Fokus auf die großen Innovationen jedenfalls noch stärker ins Visier genommen werden. Die Bereiche, in die Google vordringt, werden noch breiter. Die vielgescholtene „Datenkrake“wird ihre Macht weiter ausbauen und noch mehr Lebensbereiche abdecken als bisher schon.
Kosmetik
„Analysten haben oft die amorphe Struktur an Google kritisiert“, sagt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin bei Bank Austria Private Banking, zum KURIER. Es sei noch unklar, ob sich die Struktur durch den Umbau tatsächlich merklich ändere. „Intern bleibt dem ersten Anschein nach das meiste unverändert.“Die Reaktion an der Börse war jedenfalls positiv. Die Google-Aktie, die künftig als Alphabet-Aktie gehandelt wird, stieg nachbörslich um sechs Prozent. Die Na- menswahl ist natürlich auch symbolträchtig – Alpha, damit reiht man sich ganz vorne ein, und das nicht nur an der Börse.
Twitter bei Google?
Der Konzern bzw. die Gründer dürften sich nun leichter tun, wenn es um Firmenübernahmen geht, einen Bezug zum Kerngeschäft muss man weniger rechtfertigen. Rosen-Philipp verweist auf ein interessantes sowie hartnäckiges Gerücht unter Analysten: „Twitter wird seit einiger Zeit als ganz heißer Übernahmekandidat für Google gehandelt. Diese Einschätzungen kommen von den namhaftesten Branchebeobachtern.“Die Social-MediaPlattform ist angeschlagen und schreibt laufend schlechte Zahlen, häufig gibt es Kritik an Bereichen wie der Benutzerfreundlichkeit. „Jetzt, wo sich Google neu aufgestellt hat, könnte eine Übernahme von Twitter konkretere Formen annehmen“, meint Rosen-Philipp. Google könne mit seinen Ressourcen an Stellen aushelfen, wo es Twitter noch mangele.
Ein Vorteil, den Alphabet mit sich bringt, ist frischer Wind für den Konzern. „Der Tech-Markt hat in den vergangenen zwölf Monaten eine überdurchschnittliche Performance gezeigt, Google blieb aber leicht unter den Erwartungen. Jetzt gab es einen großen Sprung nach vorne“, so Rosen-Philipp. Je größer ein Konzern, desto schwerfälliger werde er. Deshalb sei es wichtig, zu zeigen, dass man beweglich bleibe. Mit Alphabet hole sich Google genau diesen neuen, notwendigen Schwung. „Man muss sich aus seiner Komfortzone heraus bewegen, um relevant zu bleiben“, sagt die Analystin.